Es geht genauer! Aufwandsschätzung in Software-Entwicklungsprojekten
Wie werden Aufwände für Software-Entwicklungen in der Praxis geschätzt? Wie zuverlässig sind diese Schätzungen? Wie könnten sie genauer werden? Eine Befragung von erfahrenen Projektmanagern zum Thema Aufwandsschätzung lieferte erstaunliche Resultate: Unter anderem waren die Befragten mit den Schätzwerten zufrieden, obwohl die tatsächlichen Kosten beträchtlich davon abwichen. Dr. Dirk Basten stellt die Ergebnisse dieser Studie vor und analysiert, warum Schätzungen die Ist-Werte nur selten richtig prognostizieren. Er leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab, wie sich die Genauigkeit von Aufwandsschätzungen erheblich steigern lässt.
Inhalt
- Umfrageteilnehmer: Experten mit breitem Erfahrungshintergrund
- Schätzverfahren werden meistens kombiniert
- Wann wird welches Verfahren eingesetzt?
- Wann ist eine Aufwandsschätzung gut?
- Hauptgrund für Abweichungen: Mangelnde Systematik der Schätzung
- Empfehlungen für die Praxis: Wege zu höherer Schätzgenauigkeit
- Fazit
- Literatur
Es geht genauer! Aufwandsschätzung in Software-Entwicklungsprojekten
Wie werden Aufwände für Software-Entwicklungen in der Praxis geschätzt? Wie zuverlässig sind diese Schätzungen? Wie könnten sie genauer werden? Eine Befragung von erfahrenen Projektmanagern zum Thema Aufwandsschätzung lieferte erstaunliche Resultate: Unter anderem waren die Befragten mit den Schätzwerten zufrieden, obwohl die tatsächlichen Kosten beträchtlich davon abwichen. Dr. Dirk Basten stellt die Ergebnisse dieser Studie vor und analysiert, warum Schätzungen die Ist-Werte nur selten richtig prognostizieren. Er leitet daraus konkrete Handlungsempfehlungen ab, wie sich die Genauigkeit von Aufwandsschätzungen erheblich steigern lässt.
Inhalt
- Umfrageteilnehmer: Experten mit breitem Erfahrungshintergrund
- Schätzverfahren werden meistens kombiniert
- Wann wird welches Verfahren eingesetzt?
- Wann ist eine Aufwandsschätzung gut?
- Hauptgrund für Abweichungen: Mangelnde Systematik der Schätzung
- Empfehlungen für die Praxis: Wege zu höherer Schätzgenauigkeit
- Fazit
- Literatur
Die Prognose des Arbeitsaufwands, der für die Entwicklung einer Software benötigt wird, ist häufig mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Überschreitungen des geplanten Projektbudgets und/oder des Zeitplans sind die weit verbreiteten Folgen. Obwohl viele Faktoren bekannt sind, welche die Genauigkeit von Aufwandsschätzungen unabhängig von der eingesetzten Methode verbessern können (Basten und Sunyaev, 2011), wird dieses Wissen offensichtlich in der Praxis nicht ausreichend effektiv genutzt.
Um die Gründe für dieses Defizit herauszufinden, befragte eine Arbeitsgruppe der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln (Basten und Mellis, 2011) insgesamt 52 Projektmanager zu ihren Methoden und Erfahrungen hinsichtlich der Aufwandsschätzung von Software-Entwicklungsprojekten. Abgefragt wurden dabei die Systematik der Schätzungen, die eingesetzten Schätzverfahren sowie der von den Experten wahrgenommene Erfolg dieser Schätzungen.
Die nun vorliegenden Ergebnisse der Anfang 2011 durchgeführten Befragung zeigen eine ambivalente Einstellung der Projektverantwortlichen gegenüber dem Thema Aufwandsschätzung. Einerseits wird sie häufig als unnötige und Aufwand verursachende Aktivität angesehen, so dass in hohem Maß Daumenregeln angewendet werden. Andererseits zeigt diese Untersuchung, dass den Experten die Bedeutung und die Notwendigkeit von genauen Aufwandsschätzungen bewusst sind, dieses Bewusstsein jedoch in den Unternehmen noch stärker verankert werden muss.
Umfrageteilnehmer: Experten mit breitem Erfahrungshintergrund
An der Befragung nahmen insgesamt 52 Projektmanager (48 Männer, 4 Frauen) teil. Die Teilnehmer verfügen über durchschnittlich 16 Jahre Erfahrung in der Software-Entwicklung (Bild 1) und waren im Durchschnitt an 50 Projekten beteiligt gewesen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Umfrage war, dass sie über ein abgeschlossenes Projekt berichten konnten, bei dem sie selbst die Aufwandsschätzung durchgeführt hatten.
Die meisten Teilnehmer (69%) verfügen über einen technischen Hintergrund, während 31% sich als betriebswirtschaftlich ausgerichtet sehen. Mehrheitlich (73%) haben sie ein Diplom oder einen Doktorgrad in Informatik, Wirtschaftsinformatik oder einem verwandten Studiengang.
Die analysierten Projekte hatten hauptsächlich in den Branchen Informations- und Kommunikationstechnologie (50%), Logistik (12%) und Beratung (12%) stattgefunden. Die übrigen Projekte (26%) verteilen sich zu fast gleichen Anteilen auf eine Vielzahl weiterer Branchen. 58% der Projekte waren in einem externen Auftraggeber/Auftragnehmer-Verhältnis durchgeführt worden, alle anderen sind interne Projekte. Die Projekte waren entweder zum Festpreis (66%) oder nach Aufwand (34%) abgerechnet worden, andere Vertragsformen scheinen in der Praxis keine Anwendung zu finden. Da die Umfrageteilnehmer zunächst nur im deutschsprachigen Raum angeworben wurden, waren drei Viertel der Projekte in Deutschland durchgeführt worden, dennoch ist ein Viertel der Projekte international (z.B. Singapur, Polen).
Auch die Größe der Unternehmen, bei denen die Projekte ausgeführt worden waren, deckt ein breites Spektrum vom mittelständischen Software-Entwicklungshaus bis zum internationalen Großkonzern ab. Die durchschnittliche Mitarbeiterzahl beträgt dementsprechend rund 40 Tausend, der durchschnittliche Jahresumsatz rund acht Milliarden Euro.
Schätzverfahren werden meistens kombiniert
Die in der Umfrage von den Teilnehmern angegebenen Schätzverfahren wurden zur Auswertung in vier Gruppen eingeteilt: Analogieverfahren, Work Breakdown Structure, Function Points und Expertenschätzung.
Analogieverfahren
Analogiebasierte Verfahren verwenden Erfahrungswerte aus bereits durchgeführten Projekten zur Aufwandsschätzung eines Softwareprojekts. Daher sind vor allem Erfahrungsdatenbanken mit dokumentierten Schätzungen von früheren Projekten (z.B. Ziele, eingesetzte Entwicklungsmethode, geschätzter und tatsächlicher Aufwand) für diese Verfahren entscheidend. Anhand bestimmter Attribute und Einflussfaktoren (z.B. Entwicklungstyp, Anwendungsgebiet, Programmiersprache und Entwicklungsplattform) werden die bereits abgeschlossenen Software-Entwicklungsprojekte ermittelt, die dem neuen am ähnlichsten sind. Die Aufwandsschätzung erfolgt dann anhand des tatsächlichen Aufwands der identifizierten Analogieprojekte. Die konkreten Schätzwerte werden ermittelt, indem diese Erfahrungswerte an die Daten des neuen Projekts angepasst werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, mit Hilfe von sog. "Voting Rules" (Koch und Mitlöhner, 2009) eine Rangliste der abgeschlossenen Projekte zu erstellen, wobei die beiden, dem zu schätzenden Projekt benachbarten Projekte, die obere und untere Grenze der Aufwandsschätzung liefern.
Roland Müller
30.05.2012
Dorian Gloski
30.05.2012
Rainer Eschen
30.05.2012
Dr. Karsten Hoffmann
03.06.2012
Janko Böhm
05.06.2012