Weniger Krisen durch mehr Mut im Projekt!

Dieselskandal, US-Zölle, Brexit, Facebook-Affäre, Mega-Projektflops nicht nur in Berlin und Stuttgart, … Wir leben in Zeiten des Booms, aber auch der Krise; insbesondere auf unserem Gebiet: "Projektmanagement ist bei uns praktisch permanentes Krisenmanagement", wie jüngst eine Projektleiterin bei einem heftig digitalisierenden Mittelständler meinte. Oft fragen mich Verantwortliche: Wie sind wir bloß in diesen Schlamassel reingeraten? Andere wollen wissen: Wie gehen wir mit der Krise um?

Weniger Krisen durch mehr Mut im Projekt!

Dieselskandal, US-Zölle, Brexit, Facebook-Affäre, Mega-Projektflops nicht nur in Berlin und Stuttgart, … Wir leben in Zeiten des Booms, aber auch der Krise; insbesondere auf unserem Gebiet: "Projektmanagement ist bei uns praktisch permanentes Krisenmanagement", wie jüngst eine Projektleiterin bei einem heftig digitalisierenden Mittelständler meinte. Oft fragen mich Verantwortliche: Wie sind wir bloß in diesen Schlamassel reingeraten? Andere wollen wissen: Wie gehen wir mit der Krise um?

Was fehlt

Beide Fragen laufen auf dieselbe Antwort hinaus. Eine Antwort, die so offensichtlich wie tabu ist: Mut. Dieser Begriff fehlt im Wörterbuch der BWL. In Projektmanagement-Handbüchern habe ich ihn auch noch nicht entdeckt (ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen).

Doch an allen Krisen, Disruptionen und Projekt-Desastern fällt auf: Es kommt immer nur dann zur Krise, wenn die Basis, also das Projektteam, Lower und Middle Management nicht den Mumm haben, den Leuten an der Spitze so lange, so diplomatisch und so intensiv die Wahrheit mit dem Klammerbeutel um die Ohren zu hauen, bis auch beim Verbohrtesten der Groschen fällt.

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Ist der Mut für diese Offenheit vorhanden, gerät man erst gar nicht (so heftig) in die Krise und/oder kommt sehr viel schneller wieder raus. Kein Problem! Sollte man meinen. Manager sind schließlich von Geburt an mutig. Mut steckt in ihrer DNA. Sagt der Mythos. Was er verschweigt: Firmen-DNA frisst Manager-DNA zum Frühstück.

Auch eine Art Management Development

Selbst wenn Führungskräfte und ProjektleiterInnen beim Einstieg in ein Unternehmen noch mutig sind, wird ihnen der Mut schnell ausgetrieben – von der meist statushörigen Firmenkultur: Position, Gehalt, Bürolage, Firmenwagen, Boni und Pfründe zählen. Mut nicht. Schlimmer noch: Mut wird bestraft.

Probiert ein mutiger Projektmanager z.B. eine neue Technologie aus, haut das nicht hin und wird deshalb auch nur der nächste Meilenstein verfehlt, kriegt er derart eins aufs Dach, dass er mit der Experimentierfreudigkeit auch gleich den Mut zu Neuem verliert: Was bestraft wird, wird vermieden. In der Regel. Interessant sind die Ausnahmen.

Ausnahmsweise Mut

Neulich wohnte ich einem Meeting bei, in dessen Verlauf der Vorsitzende des Lenkungsausschusses zu einem Projektleiter sagte: "Der Versuch mit der neuen Software für die Projektlenkung ging leider voll daneben. Schwamm drüber. Wir haben die Lektion gelernt. Danke, dass Sie den Mut hatten, Testpilot zu spielen." In diesem Unternehmen sind die Menschen deutlich mutiger als bei den Mut-Allergikern. Logisch: What gets rewarded, gets done.

Warum anerkennen dann nicht mehr Führungskräfte angewandten Mut in ihrem Führungsfeld? Weil das leider ebenfalls Mut erfordern würde. Nämlich den Mut, auch mal einen Misserfolg souverän und selbstsicher wegzustecken. Berufsfeiglinge sind nur deshalb so notorisch mutlos, weil sie bei jedem kleinen Misserfolg gleich in die galoppierende Niemand-hat-mich-jetzt-mehr-lieb-was-soll-bloß-aus-mir-werden-Panik verfallen. Das ist psychotisch. Mutig ist es nicht.

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Es gib keinen Schönwetter-Mut

Aus Unternehmen im Explosionsradius des Dieselskandals höre ich häufig: "Wir kannten die Schummel-Software und das Risiko. Aber die da oben wollten einfach nicht auf uns hören!" Also hielt man irgendwann frustriert die Klappe. Das ist menschlich. Mutig ist es nicht.

In mutigeren Unternehmen zeigt sich der Mut auch und gerade daran, dass "denen da oben" von "denen da unten" die unbequeme Wahrheit so lange aufgetischt wird, bis sie die Kröte schlucken. "Bei uns geht das nicht!", sagen die Unmutigen. "Bei uns gilt: Boss knows best! Klappe halten!" Das glaube ich unbesehen. Das sagt die inoffizielle, aber mächtige Firmenkultur. Also kuscht man. Das ist normal. Mutig ist es nicht.

Mutig ist was anderes, z.B. was ein Projektleiter bei einem größeren Mittelständler macht: "Natürlich ist mein Chef nicht begeistert, wenn ich mit Bad News komme. Oft tut er auch so, als ob ich persönlich dafür verantwortlich wäre: Kill the messenger! Aber ich lasse mich nicht killen! Denn im Gegensatz zu ihm kenne ich die Wahrheit! Also ist es meine Pflicht und auch mein heimliches Vergnügen, sie ihm so lange zu verklickern, bis sie bei ihm ankommt." Das ist Mut. Was hindert uns daran? Angst vor den Folgen.

Angst vor den Folgen

Dass man mit Mut auf Dauer weiterkommt, ist klar. Trotzdem fehlt oft der Mut. Weil die Angst stärker ist: Wenn wir hier jetzt alle plötzlich mutig der Realität ins Antlitz schauen und die Wahrheit sagen – habe ich die neue Offenheit nachher noch unter Kontrolle? Verliere ich dabei nicht an Macht, Kontrolle, Einfluss, Status, Ansehen?

Das sind große Fragen, die man kleinstmöglich beantworten sollte. Wer ab morgen hundertprozentig mutig managt, fliegt ganz sicher auf die Nase: zu viel des Guten. So etwas Großes, Episches, Monumentales wie Mut im (Projekt-)Management funktioniert nur in und nach möglichst vielen, möglichst keinen Schritten.

Neulich begann eine Spartenleiterin z.B. mit dem kleinen mutigen Schritt: "Sorry Leute, ich werde nicht wie sonst versuchen, euch einzureden, dass der Projektendtermin realistisch ist. Aber wir kriegen keinen anderen, der Vorstand setzt uns quasi ein Ultimatum. Also lasst uns das irgendwie wuppen." Ihr Mut zahlte sich aus. Das Projektteam sagte: "Endlich ist sie mal ehrlich mit uns!" Ergo: Mut wird belohnt. Nicht immer mit Erfolg, aber immer mit Erkenntnis und Entwicklung. Für Angsthasen zählt das nicht. Sie zählen nur den kurzfristigen Erfolg. Nachhaltig ist das nicht.

Organisierter Mut

Auch Mut will organisiert sein: What gets organized, gets done: Etliche Unternehmen haben das Problem der habituierten Mutlosigkeit erkannt und sogenannte "Technology-Laboratorys" eingerichtet, die rund um Themen wie Digitalisierung, Blockchain oder Industrie 4.0 auch mutig Experimente wagen, deren Ausgang ungewiss ist.

So viel Mut ist innerhalb der üblichen Stab-Linie oft unmöglich, weil in der traditionellen Organisation der Mut zum Risiko und zur Fail-Fast-Kultur kaum zu etablieren sind. Man kann von gestandenen Stab-Linien Leuten, die 30 Jahre lang mutlos gute Arbeit leisteten, nicht plötzlich Mut verlangen, bloß weil dieser in Zeiten von VUCA und Disruption überlebenswichtig geworden ist. Deshalb outsourct man Mut in geeignetere Organisationsformen, deren Freiraum groß genug ist, damit sich Mut entfalten kann.

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Mutig im Projekt

Auf Nummer sicher zu gehen ist heutzutage in Linie und Projekt (leider) normal, systemkonform und wird belohnt – von mutlosen Mächtigen. Auf Nummer sicher gehen ist auch keine Schande; eher Verrat am Selbst. Denn auf Dauer nimmt die Psyche die Farbe der Gedanken an, wie Marc Aurel sagte. Will heißen: Mut wird nicht immer mit Erfolg belohnt – aber immer mit Weisheit, Erkenntnis, Fortschritt, persönlicher Reife und einem gestärkten Selbstbewusstsein. Einmal ganz davon abgesehen, dass nur jene Unternehmen die disruptive Zukunft erfolgreich erleben werden, die neben der nötigen Vorsicht auch den nötigen Mut walten lassen. Mut lohnt sich. Mehr davon!

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Alle Kommentare (2)

Karsten
Lüth

Ein wirklich interessanter Beitrag. Aber eigentlich kritisieren Sie nicht den Mangel an Mut, sondern ein Mangel an Ehrlichkeit. Und das ist häufig nicht so sehr die persönliche Schwäche einzelner Mitarbeiter, sondern ein strukturelles Problem der jeweiligen Organisation.

 

Guest

Oftmals bleibt nur die Hoffnung, dass man es irgendwie schon hinkriegen wird. Hoffnung ist aber keine Methode! Vielmehr braucht es einen Kulturwandel im Projektmanagement, ein neues Bewusstsein und neue Geistes-Haltung. Schon A. Einstein soll gesagt haben: „Wir können die Probleme nicht mit dem Geist lösen, der die Probleme verursacht.“ Die Entwicklung des Geistes bildet das Bewusstsein eines Menschen aus und steigert seine Wahrnehmung und seine Fähigkeiten, Dinge und Zustände so zusehen, wie sie tatsächlich sind. Die Denkstile der Menschen prägen deren grundlegendes Denken und Handeln, so auch im Projektumfeld. Eine negative Wahrnehmung ist genauso destruktiv wie eine zu positive. Beide blenden die Realität aus. Das neue Bewusstsein zeigt sich durch innere Klarheit und lässt sich nicht von Ideologie, Manipulationen und Illusionen beeindrucken. Dadurch lässt sich eher die Realität erkennen. Die einfachste Form ist der gesunde Menschenverstand. Es scheint so, dass dieser in vielen Unternehmen und Projektorganisationen abhandengekommen ist. Daraus folgt, dass die Projektbeteiligten kollektiv nicht mehr handlungsfähig sind. Sie haben nicht den Mut Dinge und Zustände anzusprechen und zu verändern. Sie sind nicht frei und beharrlich genug, auch dann wenn es unangenehm und schwierig ist. Bei einer Haltung zu bleiben, auch gegen Widerstände. Haltung kann man in diesem Zusammenhang auch als „Rückgrat haben“ bezeichnen.