Führung 4.0 – machen, dass Dinge sich machen
Führung 4.0 – machen, dass Dinge sich machen
Führung in Zeiten der Hierarchie war eine große Aufgabe, hing doch das Schicksal eines Unternehmens wesentlich von den Qualitäten der Person an der Spitze ab. Wie ging sie mit Macht um? Konnte sie Gestaltungsmacht gegen Blockiermacht einsetzen? Verfügte sie über genügend zugeschriebene Macht, um ihre Ziele erreichen zu können? Und gelang es ihr, auch als Vorbild für die Mitarbeiter zu dienen? Die Zeiten der Hierarchie sind vorbei. Doch bedeutet das auch, dass wir keine Vorbilder mehr brauchen?
Weit gefehlt: Gerade in unserer Zeit, die geprägt ist vom Verlust traditioneller Werte und sich beschleunigender Veränderungen in vielen Lebensbereichen, brauchen wir Orientierung durch andere. Ein Vorbild dient nicht nur dazu, Perspektiven aufzuzeigen, es erleichtert auch die Identitätsbildung.
Wenn ich mich mit einem Vorbild identifizieren kann, sagen kann: "So wie der möchte auch ich sein, was der kann, das möchte auch ich können, wie er vorgeht, das überzeugt mich!", dann weiß ich mehr über mich; auch wie ich nicht sein möchte und worin ich mich unterscheiden will. Das Bild, das intuitiv entsteht und aufzeigt, wie ich leben sowie mich einbringen will, wird kohärenter und nachhaltiger.
Gleichzeitig fällt es immer schwerer zu sagen, was eine Führungskraft braucht, um als Vorbild zu dienen: Viele wären gerne wie Donald Trump, andere bewundern Emmanuel Macron, auch Angela Merkel dient vielen als Orientierung. Was ist ein Vorbild in einem Kontext, wo es um Vernetzung, Digitalisierung und soziale Medien geht?
Was ist vorbildliche Führung in Zeiten der Digitalisierung?
Was braucht eine Führungskraft, um als Vorbild zu dienen? Sie muss sich dadurch Respekt verschaffen, dass sie etwas kann. Aber das galt auch früher schon. Sie muss vertrauenswürdig sein durch das persönliche Ansehen, das sie sich erworben hat. Vertrauen war früher weniger wichtig, der Besitz von Macht genügte. Zudem muss sie über persönliche Wertvorstellungen verfügen, die ihr zur Orientierung dienen, sodass sie unabhängig von modischen Ideen und wenig empfindlich für Druckausübung ist.
Außerdem muss sie sich ihrer Rolle und Verantwortung bewusst sein, das bedeutet heute: führen nach dem Motto "Machen, dass die Dinge sich machen", statt selber machen und das operative Wirken stören. Führung heißt nicht mehr anordnen, entscheiden, kontrollieren, dominieren, sondern Besprechungen, Meetings, Tagungen und Projektthemen so leiten, dass ungewöhnliche Leistungen möglich werden, nicht dadurch, dass die Führungskraft alles selber macht, entscheidet oder bestimmt. Beispielsweise ist heute selbst Kreativität, die früher die einsame Leistung eines genialen Künstlers war, zur Teamleistung geworden, die Führung erfordert, z.B. in einem Design Thinking Prozess.
Vorbild heißt jetzt: vormachen, wie man Gruppen so zusammenführt, Experten so fördert oder Zuständigkeiten so respektiert, dass etwas Geniales möglich wird. Es heißt, Gespräche so zu führen, dass der Gesprächspartner sich gefördert fühlt, Wertschätzung erfährt, auf jeden Fall sich verstanden fühlt statt belehrt, sich in seinem Anliegen akzeptiert statt zurückgewiesen erfährt. Es heißt auch, die Fähigkeit zu entwickeln, gemeinsam über die Zusammenarbeit kritisch und offen nachzudenken. Nicht um Schuldige ausfindig zu machen, sondern um bessere Lösungen zu finden.Heute, in der Zeit flacher Hierarchien, sind andere Fähigkeiten gefragt. Aus meiner Sicht muss eine moderne Führungskraft folgende Rollen ausfüllen:
- Moderator: Kann die Führungskraft die unterschiedlichen Interessen so zusammenführen, dass etwas Neues möglich wird?
- Talente-Entwickler: Kann sie die vorhandenen Potentiale wecken, sodass aus dem Zusammenwirken vieler etwas Geniales hervorgeht? Kann sie autonome Subsysteme so fördern und doch in ein Ganzes integrieren? Kann sie dafür gewinnen, dass jeder seine Ziele engagiert und kompetent erreichen will und gleichzeitig darauf achtet, dass auch andere ihre Ziele verwirklichen können?
- Loslasser: Kann sie Autonomie zulassen und doch für die Integration mit dem Ganzen sorgen? Kann sie sich bewegen zwischen Distanz und Nähe?
Wir sehen, Führungsaufgaben stellen heute hohe Anforderungen an die, die sie bekleiden. Leichter ist es nicht geworden und unwichtig erst recht nicht.
Sichtbar wird jedenfalls, dass jene, denen es um Selbstdarstellung geht, oder die Defizite in ihrem Selbstwertgefühl heilen wollen, oder ihren Geltungsdrang befriedigen wollen, für Führungsaufgaben in unserer Zeit nicht geeignet sind. Beispiele gab es in jüngster Vergangenheit genug – der Niedergang vieler mächtiger Männer und Frauen und ihr Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit war Folge ihres Scheiterns in der Aufgabe.
Komplexität meistern: selbstkritisch & selbstbewusst
Was tun, um ein solches Scheitern zu vermeiden? Max Weber empfiehlt eine Lebensführung von innen heraus. Was ist damit gemeint? In unserer vernetzten und globalen Welt ist es wichtig, um die Komplexität dieser Welt zu wissen. Nur wer sie versteht, kann Komplexität bewältigen. In unserer Welt gibt es Schlüsselthemen, die unser Leben prägen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, aus meiner Sicht sind das: Digitalisierung, Neurologie und Umgang mit fremden Kulturen.
Künftige Führungskräfte müssen viel lesen und viel lernen und sich immer wieder auf neue Erkenntnisse einstellen. Sie müssen lernfähig sein, das heißt, bereit sein, immer wieder kritisch über sich nachzudenken und sich kritisch einzubringen.
Ein typisches Problem stellt sich Führungskräften heute in besonderer Weise: die Informationsflut. Die elektronischen Medien machen es uns leicht, Informationen unbegrenzt zu verteilen. Alles bearbeiten zu wollen, wird dadurch zunehmend aussichtslos, wie es z.B. kritische Kommentare zum Konzept "Inbox Zero" zeigen (siehe diepresse.com).
Also gilt es auszuwählen. Dazu braucht es Kriterien. Kriterien der Auswahl sind Visionen und Strategien, sind persönliche Werte und grundsätzliche Überzeugungen. Auf diese Kriterien muss ich mich besinnen und mich fragen, was unter dieser Voraussetzung noch wichtig ist.
Als Emmanuel Macron sein Ministeramt niederlegte, aus der Regierung ausschied und seine Bewegung "en marche" gründete wurde er belächelt: ahnungsloser Anfänger. Heute ist er Präsident einer der Großmächte unserer Welt. Dazu befähigen ihn nicht nur sein ausgeprägtes fachliches Können und seine Position in Regierung und Partei, sondern auch seine Fähigkeit loszulassen – wie er es mit seinem Ministeramt tat – und weil er starke Verbündete hat, darunter seine Ehefrau.
Auch unsere aktuelle Bundeskanzlerin, in US-Berichten als Angela 'Teflon' Merkel (siehe spiegel.de) abgewertet und vielfach wegen ihrer zurückhaltenden Art in Frage gestellt, weist Eigenschaften einer modernen Führungskraft auf: Sie nimmt in Deutschland, Europa und sogar weltweit eine wichtige Moderationsrolle ein.
Wir brauchen viele Menschen dieser Art.
Jutta Biehl-Herzfeld
15.09.2017
Volker Goldbecker
15.09.2017
Detlef Scheer
18.09.2017
Ich vermute, es wird in Zukunft einige Parallel-Welten geben, in denen z.B. auch Herr Goldbecker mit seiner Meinung "Man könne eben nicht alles delegieren" zurecht kommt, und genauso die viel weiter als heute "entwickelten" Anarchisten, die völlig ohne Hierarchie auskommen und Spitzenleistungen bringen werden. Für mich entwickelt sich langsam die Frage, ob es diesen verschiedenen Gruppierungen von Gesellschaft, Organisationen, politischen Gruppierungen usw. noch gelingt, die Existenz der jeweils anderen wertschätzend zu akzeptieren, sich mit Ideen wirklich auseinanderzusetzen, bevor man sie ablehnt beispielsweise oder gar bekämpft.
Die Zukunft wird anspruchsvoll und nur noch von selbst-sicheren und selbst-bewussten Menschen bewältigbar sein. In einer Welt der teilweise absurden Kommunikationsmenge wird die Qualität der Kommunikation immer wichtiger werden, wollen wir nicht zu einer uns gegenseitig vernichtenden Primitiv-Rhetorik zurückkehren, die scheinbar der Selbstverteidigung dienend auf jeden Fall schädlich für andere, irgendwann für uns selbst wird. Und die wie immer in Zeiten der Verkomplizierung den Grundstein für tödliche Vereinfachungen legt. Egal ob auf politischer, staatlicher, organisationaler oder sonst einer Ebene.
seminare
27.09.2017
Dr. Michael Hesseler
19.09.2017
seminare
27.09.2017
Hermann Doppler
20.09.2017
Dr. Michael Hesseler
27.09.2017
Michael Daheim
13.10.2017