Verhandeln und Arbeiten in der Türkei – die wichtigsten Verhaltensregeln
Verhandeln und Arbeiten in der Türkei – die wichtigsten Verhaltensregeln
Wer die Türkei aus den 70er Jahren kennt, wird über ihr stark verändertes Erscheinungsbild erstaunt sein. Das Land hat einen beachtlichen Wandlungs- und Modernisierungsprozess durchlaufen und verzeichnet einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. In den Großstädten werden ganze Stadtviertel im eleganten Baustil aus dem Boden gestampft. Auf den Straßen fließt ein unablässiger Verkehrsstrom, der von 5 Uhr früh bis 2 Uhr nachts nicht abreißt.
Die Bevölkerung hat sich seit dieser Zeit fast verdoppelt und die Städte "platzen aus allen Nähten". Allein Istanbul hat sich zur Megapolis entwickelt und ist mittlerweile die größte Metropole Europas. Wohnten dort noch Mitte der 70er Jahre nur rund zwei Millionen Einwohner, so leben hier heute offiziell über 13 Millionen, inoffiziell mehr als 15 Millionen. Um von einem Stadtende zum anderen zu gelangen, fährt man bis zu 150 km. Ähnlich verhält es sich mit der Hauptstadt Ankara und anderen türkischen Großstädten, wie Izmir, Bursa, Antalya und Kayseri.
Die türkische Gesellschaft setzt sich aus Menschen mit sehr unterschiedlichem Bildungshintergrund zusammen, die auch über ein unterschiedliches kulturelles Selbstverständnis verfügen. Entsprechend verschieden handeln sie auch im Kontakt mit deutschen Geschäftspartnern, Vorgesetzten und Kollegen. In Europa oder in den USA ausgebildete und an der westlichen Lebensweise orientierte Türken begegnen Ihnen anders als jene, die aus traditionellen, ländlichen Gebieten der Türkei stammen und bisher das Land nie verlassen haben.
Darum sollten Sie bereits beim Anbahnen einer Geschäftsbeziehung zu einem türkischen Geschäftspartner und auch in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern und Kollegen möglichst frühzeitig herausfinden, mit wem Sie es zu tun haben. Dies erleichtert es Ihnen, sich auf Ihren Gegenüber einzustellen, und trägt zum Erfolg der Zusammenarbeit bei.
Der Nationalstolz verbindet alle Türken über soziale Schranken hinweg. Krasse Unterschiede zwischen Arm und Reich werden als Schicksal und gottgegeben angesehen und nahezu kritiklos akzeptiert wie auch viele andere Widrigkeiten des alltäglichen Lebens. Was man nicht ändern kann, nimmt man klaglos hin. Dies ist wohl ein islamisches Erbe.
Der Islam hat auf das öffentliche Leben keinen unmittelbaren Einfluss. Glaubensfragen beschränken sich bei westlich orientierten Türken auf das Privatleben. Es gibt aber in der Türkei eine wachsende Anzahl islamisch ausgerichteter Unternehmen, die sich selbst anatolisch nennen und eine eigene Wirtschaft innerhalb der Volkswirtschaft geschaffen haben. Dazu gehören Finanzgesellschaften, Fabriken, Medien und Dienstleister. Die Inhaber und Mitarbeiter solcher Unternehmen halten sich auch während ihrer Arbeitszeit an religiöse Verhaltensvorschriften, die aus dem Koran abgeleitet werden, und erwarten von westlichen Geschäftspartnern eine entsprechende Rücksichtnahme.
Wenn Sie mit islamisch ausgerichteten Unternehmen Geschäfte machen, sollten Sie bei der Planung Ihrer Geschäftsreisen und -termine die Gebetszeiten und die Fastenzeit des Ramadan im Blick haben. Setzen Sie also keine Meetings am Freitagmittag an und richten Sie sich auf eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit und Präsenz Ihres türkischen Gesprächspartners bei Verhandlungen während des Ramadan ein, da in dieser Zeit tagsüber die Einnahme von Speisen und Getränken sowie das Rauchen nicht erlaubt ist. Es kann Ihnen auch passieren, dass Ihr Verhandlungspartner das Gespräch mit Ihnen mehrfach unterbricht, um seine Gebetszeiten wahrzunehmen. Dies sollten Sie nicht als Zeichen von Zurücksetzung auffassen und "in den falschen Hals" bekommen. Entsprechendes Feingefühl sollten Sie auch gegenüber muslimischen Mitarbeitern und Kollegen an den Tag legen, wenn Sie in der Türkei arbeiten.
Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Türkei und deutsche Qualität steht dort "hoch im Kurs". Zudem haben die Erfahrungen türkischer Migranten mit deutschen Erzeugnissen, wie z.B. Autos oder pharmazeutischen Produkten, zum guten Ruf deutscher Produkte beigetragen. Deutsches "Know-how", der gute Ausbildungsstandard, Disziplin, Ordnungssinn, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit werden in der Türkei sehr geschätzt. Allein im Großraum Istanbul sind mehr als 10.000 Deutsche, Österreicher oder Schweizer tätig, die aus ihrem Heimatland dorthin entsandt wurden. Die sog. "Expatriats" arbeiten in türkischen Tochterfirmen von Unternehmen ihrer Heimatländer oder Joint-Venture-Unternehmen.
Bei Deutschen weckt die Türkei ambivalente Gefühle. Einerseits fasziniert sie das orientalische Flair, andererseits verursachen chaotisch wirkender Verkehr, hoher Lärmpegel, tabuisierte Speisen, wie z.B. Schweinefleisch, geringere Körperdistanz oder mangelndes Umweltbewusstsein Irritationen oder sogar Unbehagen.
Damit Sie als Frau wie als Mann in Geschäftsverhandlungen und beim Arbeiten in der Türkei im Umgang mit Ihren Gesprächspartnern, Mitarbeitern und Kollegen sicherer auftreten können, erfahren Sie in den folgenden Abschnitten,
- welche Teilkulturen es in der Türkei gibt und wie Sie deren Angehörigen am besten begegnen,
- was Sie für die Kommunikation mit Türken, die sich von der unseren stark unterscheidet, wissen sollten, um keine Fehler zu machen und Ihr Gegenüber nicht zu brüskieren, aber auch, um sich nicht verunsichern zu lassen,
- wie Sie sich auf Geschäftsreisen vorbereiten und sich bei Geschäftsverhandlungen angemessen verhalten und
- wie türkische Vorgesetzte und Mitarbeiter handeln, aus welchem Selbstverständnis sie dies tun und wie Sie als deutscher Vorgesetzter bzw. Mitarbeiter reagieren sollten.
Maier
17.10.2012
RB
17.10.2012
Jürgen Sturany
23.10.2012
Gruppe 5
05.01.2016
Daniel Vienken, Redaktion
07.01.2016