Böse Bosse
Böse Bosse
Bossing aus Konkurrenzangst
Als die Werbekauffrau Janine S. nach ihrer mit Auszeichnung abgeschlossenen Ausbildung ihre erste Stelle bei einem Radiosender antrat, war sie hochmotiviert für ihren Start ins Berufsleben. Innerhalb kürzester Zeit gelang es ihr, sich direkt in die Geschäftsführungsebene hochzuarbeiten. 12-Stunden-Tage und Wochenendarbeit waren keine Seltenheit, konnten ihr den Spaß am neuen Job aber nicht nehmen. Mit ihren beiden Vorgesetzten - der Leiterin des Personal- und Rechnungswesens und dem Geschäftsführer - kam sie gut zurecht, man arbeitete gut und freundschaftlich zusammen. "Es lief alles völlig reibungslos, bis meine Arbeit nach und nach unersetzlich und ich somit zur Konkurrenz für meine Vorgesetzte wurde", erinnert sich Janine S.
Die Veränderungen sind schleichend
Die Veränderungen setzen zunächst schleichend ein, aus der anfänglich guten Zusammenarbeit und dem freundschaftlichen Verhältnis wird ein kühler und distanzierter Umgang. Doch dann, nach einem knappen Jahr, Janine S. kommt aus einem Kurzurlaub zurück, geht es Schlag auf Schlag: "Ich merkte, dass mein gesamtes Büro auf den Kopf gestellt worden war und sämtlich Akten durchsucht worden waren." Sie macht sich weiter keine Gedanken darüber, kann die Dimension dessen, was sich da ereignet hat, noch gar nicht fassen.
Die Schikanen gehen weiter: Es gibt kein freundliches Wort mehr von seiten der Vorgesetzten, keinen Gruß, keine Verabschiedung, jeden Morgen findet Janine S. ihren Schreibtisch durchwühlt vor, nichts steht mehr da, wo es hingehört, ihr werden Arbeiten entzogen, die bis dahin zu ihrem Aufgabengebiet gehörten, sie muss Tätigkeiten verrichten, die weit unter ihrem Qualifikationsniveau liegen, ihr wird die gesamte Verantwortung, die sie sich erarbeitet hatte, entzogen. Irgendwann verschwinden Akten, Arbeiten, die Janine S. ihrer Vorgesetzten ausgehändigt hat, werden vernichtet. Die Werbekauffrau muss sich handfeste Drohungen ihrer Vorgesetzten anhören: "Wir werden immer herausbekommen, wo Sie sind und dafür sorgen, dass Sie keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen."
Krankheit als Folge von Schikanen und Demütigungen
Janine S. ist verzweifelt und grübelt darüber nach, was sie falsch gemacht haben könnte. Mittlerweile fällt ihr auf, dass innerhalb eines halben Jahres 15 Mitarbeiter gekündigt worden waren oder freiwillig gegangen sind. Die ersten gesundheitlichen Auswirkungen sind spürbar: "An nächtlichen Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich hatte jeden Tag Angst, zur Arbeit zu gehen. Ich konnte nichts mehr essen und war völlig fertig."
In einem Gespräch mit dem Geschäftsführer bekommt Janine S. die Empfehlung, sich einen anderen Job zu suchen, da sie in ihrer derzeitigen Stellung "doch sicherlich unterfordert sei" und es auch keine Aufstiegsmöglichkeiten für sie gäbe. Janine S.s direkte Vorgesetzte geht da rigoroser vor und versucht, Janine S. mit haltlosen Argumenten wie "Mit 1,60 m sind Sie viel zu klein für Ihren Job!" zur Kündigung zu bewegen. Janine S. hat einen ersten Zusammenbruch und wird mit einem Nierenproblem ins Krankenhaus eingeliefert. An ihrem Arbeitsplatz hat sie sofort Bescheid gegeben, was jedoch ihre Vorgesetzte nicht davon abhält, Janine S. nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus am Telefon zu terrorisieren und ihr zu unterstellen, dass sie unentschuldigt gefehlt hat.
Janine S. bittet um die Kündigung, die ihr jedoch verweigert wird. Ein endgültiger Nervenzusammenbruch ist die Folge. Janine S. muss starke Beruhigungsmittel nehmen, leidet über Monate hinweg unter Depressionen und Panikattacken. Drei Monate später kündigt sie ihren Job. Erst nach einem weiteren Jahr findet sie den Mut, wieder nach außen zu gehen und einen neuen Job zu suchen.
Bossing als Zeichen der Inkompetenz
Studien zufolge finden knapp 40% aller Mobbingaktivitäten von "oben nach unten" statt, sind demnach als "Bossing" einzustufen. In der Bundesrepublik sind eine Viertelmillion Menschen davon betroffen. Zu Schikanen und Intrigen neigen besonders jene Führungskräfte, die inkompetent, konfliktscheu und entscheidungsschwach sind. Durch ihre "Schachzüge" versuchen sie sich auf ihrer Position zu halten. Auch machtbesessene Vorgesetzte gibt es, die ihre Mitarbeiter behandeln, als wären sie ihr Eigentum, weder andere Meinungen noch besonders qualifizierte Mitarbeiter akzeptieren, von denen sie sich wiederum bedroht fühlen.
"Es trifft meist Menschen, die in ihrem Job sehr gut sind"
Auch Katja M., als technische Assistentin in einem Labor beschäftigt, musste diese Erfahrung machen: "Es trifft meist Menschen, die in ihrem Job sehr gut sind. Das erweckt Neid, Intrigen und Unterdrückungsaktionen." Immer wieder wurde sie ohne Ankündigung in Besprechungen zitiert, die sie heute als "Tribunal" bezeichnet und in denen ihre Vorgesetzten versuchten, ihr Fehler bei Versuchsreihen unterzuschieben. Katja M. wehrt sich zunächst erfolgreich, sagt dem Laborleiter offen ins Gesicht, was sie von ihm und seinen Führungsqualitäten hält. Doch irgendwann spielt ihre Gesundheit nicht mehr mit, wobei sie ihrer Erkrankung heute durchaus positive Aspekte abgewinnen kann: "Ich litt damals schon unter Kreislaufproblemen, aber 'gerettet' hat mich dann eine Allergie gegen eine bestimmte Chemikalie, die im Labor im großen Maßstab eingesetzt wurde, sowie deren Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen und Gelenkschmerzen." Katja M. wird krankgeschrieben und stimmt einer Kündigung durch das Labor zu.
Über 60% der deutschen Führungskräfte neurotisch gestört
Führungskräfte stehen unter einem enormen Erfolgsdruck, sind von Versagensängsten geplagt und leiden unter Einsamkeit, Stress, unterschiedlichen Süchten und Krankheiten, verfügen mitunter über erstaunliche kriminellen Energien.
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