Megaprojekt Seidenstraße: Wie China den alten Mythos zur neuen Schlagader des Welthandels macht
Megaprojekt Seidenstraße: Wie China den alten Mythos zur neuen Schlagader des Welthandels macht
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort "Seidenstraße" lesen? Ich stelle mir zuerst eine Karawane aus Dutzenden schwer beladenen Kamelen vor, die Gewürze, Porzellan, Seide und andere exotische Waren durch asiatische Ebenen und Wüsten transportiert. Tatsächlich handelte es sich bei der historischen Seidenstraße um ein weit verzweigtes Netz von Karawanenstrecken, die China mit Europa verbanden. Die Seidenstraße diente außerdem dazu, politische Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, religiöse Überzeugungen in anderen Länder zu verbreiten und sich bezüglich Technik, Innovationen und Know-how auszutauschen.
China tritt international zunehmend selbstbewusst auf
Diesen positiv behafteten Mythos dürfte die chinesische Führung im Sinn gehabt haben, als sie 2013 – übrigens weniger als zwölf Monate nach der Wahl von Xi Jinping zum neuen Staatspräsidenten – erstmals die Wiederbelebung der Seidenstraße ankündigte. Seitdem stellt China die sogenannte "Silk Road Economic Belt"-Initiative als langfristigen Plan dar, von dem am Ende alle Beteiligten in der Region profitieren werden. Der Plan bezieht nicht nur die Staaten Zentralasiens ein, sondern reicht bis in die für China wirtschaftlich interessanten Absatzmärkte Europas. Allerdings sind die Pläne nicht detailliert und lassen Interpretations- und Gestaltungsräume zu.
Der "Silk Road Economic Belt" und weitere wirtschaftliche Initiativen sind Ausdruck des in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Selbstbewusstseins der chinesischen Führung. Sie vertritt ihre Position längst nicht mehr nur wirtschaftlich, sondern nutzt auch ihr politisches und militärisches Gewicht. Dennoch halte diese Initiative für positiv und möchte im Folgenden die Chancen für deutsche Unternehmen herausstellen.
Projekte als Treiber zur Entwicklung der Seidenstraße
Die Entwicklung der "neuen Seidenstraße" zeigt deutlich auf, welche Rolle Projekte und deren Management für die Umsetzung politischer Ambitionen spielen: So wurde im Dezember 2015 die "SRCIC Silk Road Chamber of International Commerce" gegründet als Drehscheibe für alle Gespräche, Konzepte und Projekte zur neuen Seidenstraße. Die chinesische Regierung unterstützt die SRCIC mit Geldern für Marketing, Konzept-Entwicklung und Anschubfinanzierung für erste Investitionen. Darüber hinaus engagieren sich im Rahmen der SRCIC eine Reihe von Unternehmen, indem sie Projekte zur Entwicklung der Infrastruktur (u.a. Straßen, Schiene, Häfen) planen und umsetzen.
Da viele Länder Zentralasiens wenig Geld zur Entwicklung der Infrastruktur haben, finanziert und realisiert China diese in einer Gesamtlösung (und sichert sich so politischen und wirtschaftlichen Einfluss). Nach Medienaussagen hat China insgesamt 40 Milliarden US-Dollar Kapital für die Initiative bereitgestellt. Der Arm Chinas reicht sogar bis nach Europa, wo chinesisches Geldern der Ausbau des Hafens von Piräus sowie eine Eisenbahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest finanziert.
PM-Know-how als Engpass
Als ich im vergangenen November mit einem Vize-Präsidenten der SRCIC ins Gespräch kam, fiel die Sprache schnell auf die Herausforderungen der länderübergreifenden Projektzusammenarbeit. Beim Thema modernes Projektmanagement hat man in China in den vergangenen Jahren viel dazugelernt.
Wenig Erfahrung besitzen die Chinesen jedoch in interkultureller Zusammenarbeit, diese ist daher stark ausbaufähig. Das mag zunächst unglaubwürdig klingen, schließlich sind viele ausländische Unternehmen in China aktiv und arbeiten mit chinesischen Partnern teilweise eng zusammen. Jedoch haben diese Ausländer sich auf den spezifischen Kontext in China eingestellt. Umgekehrt fällt es Chinesen im Auslandseinsatz schwer, sich an die Regeln und Gebräuche ihres Gastlandes anzupassen.
Hier brauchen chinesische Unternehmen Nachhilfe, konkrete Unterstützung bzw. suchen sogar Partner in den jeweiligen Ländern zur Projektabwicklung. Ein weiteres Problem ist das fehlende PM-Know-how in vielen Ländern Zentralasiens. Regierungen, lokale Behörden und Subunternehmen haben oft keine Ahnung von modernem Projektmanagement. Projekte geraten dadurch häufig in Verzug oder laufen – was die Kosten angeht – aus dem Ruder. Hier ist die SRCIC an aktiver Unterstützung durch die IPMA und ihre Mitglieder interessiert, um die Initiative zu stärken und voranzubringen.
Chancen für Europa und insbesondere Deutschland
Deutschland ist als Exportnation eng mit China und den anderen asiatischen Staaten verbunden. Insofern muss Deutschland daran gelegen sein, die Zusammenarbeit auf verschiedenen Wegen zu fördern. Ein Beispiel ist die DB Deutsche Bahn: Der Staatskonzern hat eine engere Zusammenarbeit mit China vereinbart, um den Containertransport von Europa nach Asien bis 2020 zu verdreifachen. Auf der südlichen Seidenstraßen-Route sollen die Container die mehr als 10.000 Kilometer lange Strecke nach China innerhalb von 12 bis 16 Tagen absolvieren. Die DB wird dazu u.a. die chinesische Bahn in Bezug auf Instandhaltung von Hochgeschwindigkeitszügen und bei Infrastrukturprojekten beraten.
Auch für deutsche Unternehmen des Mittelstands und aus der Beratung bietet die Wiederbelebung der Seidenstraße Chancen, in Gestalt gigantischer Bauprojekte. Auf Spezialbauprojekte spezialisierte Unternehmen wie z.B. Herrenknecht und Bauer Spezialtiefbau findet man heute schon auf vielen Baustellen weltweit. Aber auch auf Projektmanagement spezialisierten Dienstleister, wie zum Beispiel DB Engineering & Consulting, Lahmeyer International oder THOST Projektmanagement könnten bei der Wiederbelebung der Seidenstraße eine Rolle spielen.
Da die Einsätze vor allem über chinesische Unternehmen gesteuert werden, sind eine Präsenz in China sowie gute Kenntnisse der chinesischen Kultur für die Zusammenarbeit in Projekten nötig. Darüber hinaus sind auch kulturelle Kenntnisse der Länder entlang der Seidenstraße hilfreich, um gegen Überraschungen im Projektverlauf möglichst gefeit zu sein.