GPM-Barcamp zur Zukunft der Führung
GPM-Barcamp zur Zukunft der Führung
"Führen im Projekt: Welche Herausforderungen stellen sich in Zeiten zunehmender Dynamik, Komplexität, Unsicherheit und Ambivalenz in der Arbeitswelt?", so lautete der Titel des ersten Barcamps der GPM, zu dem wir als Fachgruppe Anfang Oktober einluden. Trotz Sturmtief Xavier fanden 35 Teilnehmer, hauptsächlich aus Süddeutschland, den Weg nach Fulda.
Die Fachgruppe "Führen im Projekt" in der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.
Das Thema Führung wird in der GPM seit 2005 auf Fachgruppenebene behandelt. Die aktuelle Fachgruppe hat sich in der ersten Jahreshälfte 2017 neu gebildet, unter der Leitung von Roswitha Müller-Ettrich. Zu den Mitgliedern gehören u.a. Dr. Klaus Wagenhals, Olaf Hinz sowie der Autor dieses Beitrags. In einem ersten Schritt will die Fachgruppe ergründen, welche Themen rund um "Führung" für eine weitere Auseinandersetzung in Frage kommen.
Mit der Veranstaltung wollten wir herausfinden, welche Führungsthemen Projektleiter gerade diskutieren und wo bei ihnen "der Schuh drückt". Folgende identifizierte Herausforderungen wird die Fachgruppe in der nahen Zukunft bearbeiten:
- Rollen im agilen Umfeld: Verteilung von Führungsaufgaben in der Zukunft
- Selbstorganisation von Gruppen: Was kann delegiert werden und wie führe ich diese Teams?
- Verschiedene "Typen" von Menschen erkennen: Methoden / Handwerkszeug
- Herausforderungen der digitalen Führung
- Die Rolle der Projektleitung als "Führungskraft"
- Vom Experten zur Führungskraft (Soft Skills)
Wir wählten das Format einer "Un-Konferenz", bei dem jeder Teilnehmer aktiv Themenvorschläge einbringen kann, um so viel wie möglich von den Ideen und dem Wissen unserer Teilnehmer zu profitieren, die ganz unterschiedliche Funktionen innehatten und aus ganz verschiedenen Unternehmen kamen.
Das Barcamp erwies sich als effektive Vorgehensweise, da unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr aktiv Sessions anboten (siehe Bild 1) und mit Hilfe ihrer "Besucher" zu Ergebnissen, Antworten und Lösungsvorschlägen kamen. Entsprechend positiv war das Feedback der Teilnehmer, die sich fast alle sehr zufrieden äußerten.
Wir brauchen neue Modelle der Zusammenarbeit
Für einen gelungenen Auftakt sorgte Dr. Klaus Wagenhals mit seinem eindrucksvollen Impulsvortrag zum Wandel im Projektmanagement, verbunden mit der Frage, welche Aufgaben einer Projektleitung in einem agilen Umfeld mit "Scrum-Mastern" und "Product-Ownern" noch bleiben. Dr. Wagenhals nannte als neue Herausforderungen für Führung im agilen und hybriden Umfeld:
- Das Fehlen eines ausgeprägten Rollenverständnisses, was in unzureichenden Abgrenzungen bei Verantwortlichkeiten, Befugnissen und Aufgaben führe.
- Hohe Erwartungen an das "selbstorganisierte Team", die damit einhergehen, dass die Herausforderungen beim Führen derartiger Teams unterschätzt würden.
- Bezogen auf letzteres nannte er insbesondere den Wandel von einer Stelle mit Macht- und Entscheidungsbefugnis sowie Informationsvorsprung hin zu einer Rollen-Vielfalt mit wechselnden Befugnissen.
Projektkoordination statt Projektleitung?
Die Session-Runde am Vormittag prägten Fragen zur Zusammenarbeit von Projektleitungen, Scrum-Mastern, Product-Ownern und Projektteams. Die Sessiongeber stellten dazu ganz unterschiedliche Ansätze vor: Von der Idee, den Product-Owner und die Projektleitung in Personalunion zu betreiben, über den Einsatz von Projektmanagern ausschließlich in Großprojekten, ging es bis hin zu der provokanten, in eine Frage gekleideten These: "Gibt es zukünftig noch eine Projektleitung, oder wandelt sich diese in einer Welt der agilen Rollen bis hin zu einer reinen Projektkoordination?"
Darunter verstand die Geberin der Session das Steuern und aufeinander Abstimmen der am Projekt beteiligten Rollen wie Scrum-Master und Product-Owner. Das Plenum reagierte auf diese Vorstellung zunächst verhalten, zeigte sich dann aber doch offen und diskutierte angeregt.
Fast jede Session kam zu dem Ergebnis, dass das Thema "hybride Führung" – als Verschmelzung der klassischen mit den agilen Methoden – in der Praxis noch ausbaufähig ist (siehe dazu den Fachbeitrag "Der Agile Projektleiter – Bindeglied zwischen Scrum und klassischem Umfeld", Projekt Magazin 23/2014). Hier sehen wir beispielsweise die Programmleitern gefragt, ein entsprechendes Verständnis für agiles Projektmanagement zu schaffen und aufzuzeigen, wie wir die agilen mit den klassischen Strukturen harmonisieren können und welche Abgrenzungen gelten.
Selbstorganisierte Teams
Die nachmittägliche Sessionrunde bewies eindrucksvoll, dass im Projekt der Mensch als unser wichtigstes Kapital die größte Aufmerksamkeit benötigt – nicht Methoden, Vorgehensweisen, Richtlinien und Modelle. Die einzelnen Sessions beschäftigten sich mit verschiedenen Führungsstilen, häufig im Zusammenhang mit selbstorganisierten Teams. Wir waren uns einig, dass solche Teams wünschenswert sind, weil sie die Projektarbeit effektiver, schneller und dadurch auch innovativer machen können.
Die Führung selbstorganisierter Teams steckt noch in den Kinderschuhen, denn in der Praxis sind dazu noch viele Fragen offen. Als herausfordernd für eine effektive Führung derartiger Teams betrachteten die Teilnehmer u.a. die erhöhten Anforderungen an die Teammitglieder und die Beantwortung der Frage, wie dies berücksichtigt werden kann. Nach Meinung vieler Teilnehmer benötigt eine Projektleitung häufig viel Zeit, um ein Teammitglied so weit zu entwickeln, dass es z.B. eigene Entscheidungen sicher treffen kann (siehe dazu den Fachbeitrag "So fördern Sie Selbstorganisation im Projekt", Projekt Magazin 18/2017).
Als weitere Aufgabe, die Projektleiter selbstorganisierter Teams im Blick haben oder zumindest anstoßen sollten, identifizierten wir das Festlegen von Werten und Regeln für die Zusammenarbeit, die z.B. einen fairen und wertschätzenden Umgang im Team fördern (siehe dazu den Fachbeitrag "Wie Sie den fairen Umgang miteinander schon beim Projektstart fördern" Projekt Magazin 04/2017).
"Projekte sind Menschen"
Ein Teilnehmer regte dazu an, dass eine Führungskraft sich als Dienstleister begreifen sollte, dessen Leistung darin besteht, andere zu befähigen (siehe dazu den Blogbeitrag "Führung 4.0 – machen, dass Dinge sich machen" ). Diese Sichtweise wurde von vielen geteilt und in der weiteren Diskussion wurde mit dem Mikromanagement abgerechnet, da es bei Projektteammitgliedern Vertrauen in ihre Führungskraft und das eigene Selbstbewusstsein zerstöre (siehe dazu den Blogbeitrag "Diagnose: Mikromanagement").
Situative Führung erschien den Teilnehmern ebenso wichtig wie Raum und Zeit für Führung. Viele berichteten von Führungskräften, die auch sehr viel operative Arbeit leisten und demnach ihre Führungsaufgabe vernachlässigen müssen: Dadurch fehlt je nach Situation ein Ansprechpartner, Unterstützer oder Taktgeber, was wiederum zu Verzögerungen und zu Unzufriedenheit bei den Projektmitarbeitern führt.
Die Ergebnisse und die Dokumentation des Barcamps sowie weitere Informationen und zukünftige Themen und Arbeitsergebnisse können Sie auf der Seite der Fachgruppe einsehen und herunterladen.