Der Iran – ein Land zwischen den Welten
Der Iran – ein Land zwischen den Welten
Als wir Anfang des Jahres unseren Freunden erzählten, dass wir eine einwöchige Reise durch den Iran planen, sahen alle uns ungläubig an und fragten, ob das nicht viel zu gefährlich sei. Die Medien berichten momentan zwar viel über das Land, dennoch wissen wir in Deutschland relativ wenig über den Iran. Die Berichte sind häufig eher negativ gefärbt und motivieren dadurch nicht so recht zu einem Besuch. Das ist schade. Der Iran ist definitiv eine Reise wert und auch in Sachen Projekte und Projektmanagement sehr interessant. Aber eins nach dem anderen.
Die islamische Republik Iran – Erbin einer stolzen Vergangenheit
Unter den Achämeniden (560 bis 330 v. Chr.) erstreckte sich das Persische Reich zeitweise vom östlichen Europa bis China und von der Region nördlich des Kaspischen Meeres bis nach Äthiopien. Es handelt sich damit um eines der größten Reiche, das die Welt je gesehen hat. Nach der Eroberung des Reichs durch Alexander den Großen (330 v. Chr.) konnten die Perser machtpolitisch nie wieder an dieser Glanzzeit anknüpfen.
Im kollektiven Gedächtnis der geschichtsbewussten Iraner besitzt die vergangene Größe bis heute einen hohen Stellenwert. Diese Tatsache und der Umstand, dass die überwiegende Mehrheit der Muslime im Land schiitisch ist, gelten als wichtige Gründe für die aktuellen Spannungen mit dem sunnitisch beherrschten Saudi-Arabien und anderen Ländern im Mittleren Osten. Im Vielvölkerstaat Iran selbst leben heute jedoch viele Volksgruppen und Religionsgemeinschaften friedlich nebeneinander.
Seit der Machtübernahme Ajatollah Khomeinis ist der Iran Islamische Republik unter Führung eines geistlichen Würdenträgers und des sogenannten "Wächterrates". Wer mehr über die Rolle der Religion und die gesellschaftlichen Strukturen im Iran erfahren will, dem empfehle ich den 1. Teil eines Artikel-Zweiteilers der Nahost-Expertin Dr. Brigitte Moser-Weithmann im Projekt Magazin.
Bild 1: Der Freiheitsturm, eines der Wahrzeichen Teherans.
Bildquelle: Reinhard Wagner
Die wirtschaftliche Entwicklung – zwischen Planwirtschaft und Streben nach westlichem Vorbild
Die ertragsreichsten Wirtschaftszweige sind die Öl- und die Gasförderung, neben der Automobil- und Bauindustrie. Die meisten Unternehmen sind staatlich gesteuert und dem Einfluss der religiösen Eliten des Landes ausgesetzt.
Der aktuelle Entwicklungsplan der Regierung sieht Investitionen in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft vor. So herrscht aufgrund der jahrelangen Sanktionen ein Investitionsstau bei den Förderanlagen der Öl- und Gasindustrie, aber auch das Transportwesen, die Infrastruktur, die Versorgung mit Energie und Wasser sowie die Modernisierung des Gesundheitswesens stehen im Fokus der Regierung. Eben in diesen Bereichen ist für die kommenden Jahre mit einem hohen Aufkommen an Projekten rechnen.
Dazu sind einerseits ausländische Investitionen nötig, andererseits aber vor allem auch Management-Know-how. Beides soll durch Unternehmen aus dem westlichen Ausland in den Iran gebracht werden; noch zögern die Unternehmen aus dem Westen jedoch mit ihren Investitionen. Die USA halten immer noch an ihren Sanktionen fest, viele Unternehmen haben die Wahlen Anfang März abgewartet, aus der eher die Reformer als Sieger hervorgegangen sind. Viele sind jedoch skeptisch, ob die religiöse Elite eine weitere Öffnung des Landes unterstützt bzw. Reformen zulässt.
Projekte und Projektmanagement im Iran – auch etwas für deutsche Unternehmen?
Die Antwort lautet: Ja! Deutsche sind im Iran gern gesehene Gesprächs- und Geschäftspartner. Im Verlauf der Geschichte waren Deutschland und der Iran über viele Jahre freundschaftlich und auch wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Deutsche Unternehmen genießen auch wegen ihrer Qualität und Professionalität einen ausgezeichneten Ruf.
Für die Zeit nach den Sanktionen listete ein Wirtschaftsberater des Präsidenten auf einer Konferenz in Teheran die bevorzugten Partner-Firmen auf, allen voran deutsche Unternehmen wie z.B. Siemens, MAN und BASF. Dementsprechend reichen sich derzeit nicht nur viele Politiker beider Länder die Hand, sondern auch Unternehmer sind auf Erkundungstour im Iran, um ihre Chancen für die (Wieder-)Aufnahme von Geschäftsbeziehungen auszuloten.
Die Qualifikation des Personals im Iran ist traditionell sehr hoch und die Motivation der überwiegend jungen Menschen gut, auch wenn in den vergangenen Jahren viele gut qualifizierte Menschen das Land in Richtung Westen verlassen haben.
Bei der Anbahnung von Geschäften sind einige kulturelle Besonderheiten zu beachten, die im 2. Teil des Beitrags von Dr. Brigitte Moser-Weithmann erläutert werden.
Projektmanagement im Iran – ausländisches Know-how erwünscht
Auch beim Thema Projektmanagement gibt es im Iran einen großen Nachholbedarf. Die Iranische Projektmanagement-Gesellschaft ist zwar seit mehr als zehn Jahren Mitglied der IPMA und führt Schulungen auf Basis der IPMA Individual Competence Baseline durch. Jedoch schätzen die Iraner das Know-how westlicher Ausländer mehr als das ihrer Landsleute. Nach meiner Keynote auf der 11. Internationalen Projektmanagement-Konferenz in Teheran im Februar wurde ich von vielen Teilnehmern angesprochen, ob ich nicht eine Filiale meines Beratungsunternehmens im Iran aufbauen und Beratungsleistungen sowie PM-Schulungen anbieten wolle.
Bei einem Workshop im vergangenen Jahr habe ich zudem die Erfahrung gemacht, dass die meisten Projektmanager (insbesondere in dem Bereich "Oil and Gas") zwar den PMBOK Guide von PMI kennen, im Land aber aufgrund der (von Seiten der USA bis heute aufrechterhaltenen) Sanktionen keine Schulungen bzw. Zertifizierungen nach dem US-amerikanischen System angeboten werden dürfen.
Das vorhandene Know-how zum Projektmanagement beschränkt sich überdies auf das Management einzelner Projekte, Kenntnisse zum Management komplexer Programme und Projektportfolios sind nur selten vorhanden. Die Nachfrage nach PM-Schulungen auf einem hohen Niveau steigt gerade stark an.
Auch die Unterstützung deutscher Firmen im Einsatz vor Ort wird Projektmanager und entsprechende Leistungen erfordern, z.B. Projektplanung und -steuerung bzw. Vertrags- und Forderungsmanagement. Hier bieten sich also hervorragende Chancen für deutsche Dienstleister, ihr PM-Know-how zu exportieren und so den Iranern zu helfen, das Land wieder nach vorne zu bringen.
Bild 2: Der Autor Reinhard Wagner (Mitte rechts), mit GPM-Mitglied Michael Boxheimer (Mitte links), und zwei Mitgliedern der iranischen Projektmanagement-Gesellschaft.
Bildquelle: Reinhard Wagner