"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage" Mit "Courage Gates" agile Transformationen zum Erfolg führen – oder zum Abbruch

Endlich ist er da: Der phasengesteuerte Prozess für eine agile Transformation. Klingt schrecklich? Ist aber genial! Denn damit setze ich zeitlich deutlich vor dem an, was die meisten "Transformation" nennen. Wie konnte ich nur auf eine solch tolle Idee kommen? Um ehrlich zu sein, war es eine Art Wutanfall.

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"Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage" Mit "Courage Gates" agile Transformationen zum Erfolg führen – oder zum Abbruch

Endlich ist er da: Der phasengesteuerte Prozess für eine agile Transformation. Klingt schrecklich? Ist aber genial! Denn damit setze ich zeitlich deutlich vor dem an, was die meisten "Transformation" nennen. Wie konnte ich nur auf eine solch tolle Idee kommen? Um ehrlich zu sein, war es eine Art Wutanfall.

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3 Tage
14.05.2025
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Neulich erreichte mich mal wieder eine etwas schräge Anfrage zur Unterstützung einer generalstabsmäßig geplanten agilen Transformation. Als ich dann eine E-Mail mit meinen Fragen zu den Rahmenbedingungen formulierte, kam mir die Idee, wie es eigentlich laufen sollte: Die Auftraggeber sollten mir Ihren festen Willen zur tiefgreifenden Veränderung beweisen. Das tun sie mit Hilfe meiner neuen Erfindung, den "Courage Gates" (CGs)

Papier ist geduldig

Früher bin ich immer wieder in solche Begleitungen reingestolpert, oft mit einem Sponsor, der nichts bewegen konnte oder wollte. Aber selbst jetzt, wo ich jedes Mal erst abkläre, ob das Top-Management wirklich dahintersteht, erlebe ich immer wieder eine – sagen wir – "Unschärfe" zwischen "Sagen" und "Machen" bei den Sponsoren.

Anfangs erscheint lange alles möglich. Erst wenn man mit den ersten Impediments oder Priorisierungsbitten vorstellig wird, wird klar, was die Organisation – vertreten durch das Top-Management – wirklich kann und will. Erst durch die Messung der Reaktion in konkreten Situationen zwingt man die Organisation dazu, sich zu bekennen: "geht" oder "geht nicht". Bis dahin existieren beide Zustände gleichzeitig.

Zwei Zustände gleichzeitig? Ja, es gilt den Deckel von Schrödingers Transformations-Kiste früh zu öffnen und zu prüfen, ob da nun wirklich ein Portfolio Backlog des Vorstands drin liegt oder eben nur Erwins arme tote Mieze (siehe auch Wikipedia).

Die Arbeit mit OpenSpace Agility (siehe Fachbeitrag) hat mich dazu ermutigt, immer weniger Kompromisse einzugehen bzw. von Anfang an allen klarzumachen, dass die Hand immer am Notausschalter ist.

Ein radikaler Ansatz erzwingt Commitment

Jetzt denken Sie vielleicht, der Beitrag entgleist komplett. Also beiseite mit Katzen und Atomen, zurück zum phasengesteuerten Auftakt einer agilen Transformation! Solche Prozesse, die mit Quality Gates einzelne Phasen freischalten, gelten in der Produktentwicklung als überholt (das Denken in Projekten ebenso, aber dazu schreibe ich ein anderes Mal im projektmagazin). Vermutlich sind Quality Gates und definierte Phasen daher genau das Gegenteil von dem, was Sie bei einer Transformation erwarten.

Aber das ist genau das, was wir bei einer anstehenden Transformation brauchen: Wir gehen erst weiter, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind. Und – das ist mir jetzt unangenehm, falls Sie Manager sind – diese Rahmenbedingungen müssen vom Management nicht nur angekündigt, sondern klar gesetzt werden.

Denn vieles, was im Zuge einer Transformation ansteht, erfordert Mut. Richtig viel Mut. Führungskräfte müssen lernen loszulassen und akzeptieren, dass die Organisation nicht durch viele parallele Initiativen schlagkräftig wird, sondern nur durch eine Limitierung der parallelen Aktivitäten – ein "nein" erfordert immer mehr Mut als ein "ja".

Eine Transformation darf also erst in die nächste Stufe gehen, nachdem dieser Mut bewiesen wurde – denn dieser ist hier wichtiger als die Qualität. von Arbeitsprodukten. Wir brauchen also keine Quality Gates, sondern Courage Gates. Das könnte in etwa wie folgt aussehen.

Phase 1: Wissen und Commitment

Die agile Transformation ist ein Anliegen des Top-Managements und sie wird von diesem neben Mut auch viel Zeit erfordern. Sogar sehr viel Zeit.

Setzen Sie ein Awareness-Training für das Top-Management an. Ich empfehle einen Umfang von ein oder zwei Tagen. So umfangreich? Ja, denn … pssst … es geht nicht nur darum, Grundlagen und Zusammenhänge zu erklären, sondern auch festzustellen, ob das Management dazu bereit ist, seine unbestritten kostbare Zeit für dieses wichtige Thema einzusetzen. Gibt es hier Diskussionen über den Umfang des Trainings, ist das ein erstes Warnsignal.

Courage Gate 1 (CG1)

  • Das Top-Management hat die Trainings geschlossen durchlaufen.
  • Das Top-Management hat entschieden, weiterzumachen und diese Entscheidung mit einem Rundschreiben oder im Intranet veröffentlicht.

Sind die Bedingungen erfüllt, gibt CG1 die Phase 2 frei.

Phase 2: Limitieren der Vorhaben

Die meisten Liegezeiten in Projekten entstehen nicht durch Technik oder Prozesse, sondern durch unnötiges Multiprojektmanagement. Wer sich daran versucht, Projekte sequentiell statt parallel durchzuführen, stößt in der Praxis auf maximalen Widerstand. Dagegen hilft leider keines der guten Argumente, die belegen, dass dies nur Vorteile und keine Nachteile bringt.

Erst wenn das Management bereit ist, die Anzahl der gleichzeitigen Projekte zu beschränken, macht es Sinn, auf der Team-Ebene anzusetzen. Hier fällt die Messung des Willens schwerer als in Phase eins. Dazu benutze ich einen Trick: Limitierung erfordert Priorisierung. Und das ist für Organisationen noch viel bedrohlicher als Limitierung – aber einfacher zu messen.

Setzen Sie für diese Phase mehrere Workshops mit dem Management an, um die aktiven Vorhaben in der Organisation zu priorisieren. Erarbeiten Sie mit dem Management, wie vielen der niedrig priorisierten Projekte auf Eis gelegt werden sollen, um die anderen zu beschleunigen. Für einen ausreichenden Effekt empfehle ich dafür zwischen 20% bis 50% aller Projekte anzuhalten.

Courage Gate 2 (CG2)

  • Ein Projektbacklog wurde erstellt und organisationsweit veröffentlicht.
  • Die Anzahl der maximal gleichzeitig durchgeführten Projekte (WIP-Limit) wurde festgelegt.
  • Umfang und Arbeitsmodus des Management-Teams, das Projekte priorisiert und verfolgt, wurde definiert.

Sind die Bedingungen erfüllt, gibt CG2 die Phase 3 frei.

Weitere mögliche Phasen

In diesem Stil können Sie weitere Phasen und Courage Gates etablieren, bevor Sie mit dem ersten Team über Scrum & Co. sprechen. Phase 3 könnte z.B. sein: 100% Projekt-Dedizierung der Teammitglieder oder die Vereinfachung der Einkaufsprozesse für die Produktentwicklung (ja, damit ernte ich in jedem Training Beifall). Sie haben bestimmt noch viel passendere Ideen als ich – gestalten Sie noch heute Ihr Phasenkonzept für die agile Transformation und teilen Sie Ihre Ideen über den Kommentarbereich!

Nicht falsch verstehen: Es geht mir in keinster Weise darum, vor der Transformation perfekte Rahmenbedingungen in der Organisation zu schaffen. Dies kann nur durch gemeinsames Lernen während der Transformation geschehen. Die einzige Rahmenbedingung, die Sie vor Beginn benötigen, ist die vorbehaltlose Unterstützung des Top-Managements. Diese Bedingung sollte Ihnen die Organisation leicht erfüllen können, sie ist sogar preiswert. Dennoch sträuben sich viele Unternehmen, sich derart klar zu bekennen.

Transparenz rettet Katzen

Vermutlich hat Sie der Gedanke der Sie eingangs beschlichen hat (dass das hier alles total durchgeknallt ist), bis hierher noch nicht so ganz losgelassen. Ich kann Sie beruhigen: Einen solch harten Kurs fahre ich nur in Gedanken, und auch das nur, wenn ich ausnahmsweise mal richtig wütend bin.

Transformationsansätze wie OSA, die auf radikale Transparenz setzen, versuchen im Vorfeld durch Messungen zu prüfen, was möglich sein wird und was nicht – wenn auch nicht so radikal wie in meinem Gedankenspiel hier. Egal ob Sie wirklich Courage Gates einrichten (bitte berichten Sie mir dann davon!), OpenSpace Agility einsetzen oder noch viel bessere Ideen haben als ich:

Gehen Sie keine Kompromisse ein! Schaffen Sie Transparenz darüber, was die Organisation kann und will. Denn Transparenz ist die Basis für gemeinsames Lernen und ständige Verbesserung. Eine verschobene Transformation wäre nicht das Ende, sondern würde eher zum Erfolge führen, als eine Transformation mit unklarem Rahmen zu beginnen. Und: Versuchen Sie, die Katze zu retten. Danke.

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Alle Kommentare (2)

Profile picture for user w.ott@wop-net.de
Wolfram
Ott

Sie schreiben hier darüber wie vorgegangen werden soll. Das unterstütze ich in allen Belangen.
Das Ganze kann allerdings auch klassisch betrachtet werden. Das ist ohnehin mein persönlicher Wunsch an alle die sich in Projekten üben wollen. Bei Projekten die wirklich Change und Transformation in der Organisation benötigen ist es unerlässlich so vorzugehen. Die Unternehmensorganisation darf erst belastet werden, wenn der Rahmen vom AG freigegeben ist. Über diesen Zustand ist leider auf der Führungsebene noch wenig angekommen. Wir müssen hier aus Sicht des PM genau diese Konsequenz umsetzen, wie im Bericht ausgeführt.
Anmerkung: Kein Kapitän in dieser Welt würde ein Schiff übernehmen (mit vergleichbaren Informationsdefiziten wie in den Projekten zum Startzeitpunkt) um ein Ziel zu navigieren, wo noch keiner zuvor war. Auch kein Reeder würde ein Schiff einem Kapitän überlassen ohne sich mit ihm im Detail vor der Übergabe auszutauschen!
Also Mut zum gelingenden Streiten mit den Führern im Unternehmen!

Guest

danke für die herzerfrischende Mut Tor Initiative
Das spricht mich an und cih werde mutig sein und es dem nächsten Kunden gneau so vorstellen.
Die Forderung so vorzugehen habe ich bereits öfter aufgestellt. Vielleicht fehlte mir der Mut.

sie haben mich ermunterst voranzuschreiten, danke.

Übrigens, das Vorgehen hat Parallelen zum schnellbootvorgehen bei Effectuation.
Beste Zeit