Warum Krisenprojekte lieber abgeschrieben als saniert werden
Warum Krisenprojekte lieber abgeschrieben als saniert werden
Was macht ein verantwortungsvoller Unternehmer oder Manager, wenn sein Unternehmen in Schieflage gerät? Um die Insolvenz zu verhindern, holt er sich Rat von Experten, kauft sich einen Restrukturierer ein, versucht zu retten was zu retten ist, den Turnaround zu schaffen.
Für Projekte gelten andere Regeln
Schaut man sich stattdessen die Mehrzahl der Projekte an, die massive Verluste schreiben, weit über die geplante Zeitplanung hinausgehen und drohen, ihre Ziele zu verfehlen und/oder abgebrochen zu werden, muss man festhalten: Für Krisen-Projekte gelten offenbar andere Regeln. Denn was machen viele der Auftraggeber, also die für diese Projekte verantwortlichen Manager?
Das Eingestehen von Fehlern ist die größte Hürde vor der Sanierung
Zunächst fällt es ihnen schwer, sich überhaupt einzugestehen, dass sie selbst und nicht nur der Projektleiter und sein Team da ein Problem haben. Genau das würde aber helfen: Die Erkenntnis, dass man als Manager, der dieses Projekt haben wollte, auch dafür in der Verantwortung steht. Denn eine Investition ist und bleibt Chefsache!
Stattdessen gehen viele Auftraggeber den leichten Weg und ziehen die für sie nächste und bequemste Schlussfolgerung: Sie suchen sich für das Scheitern einen "Schuldigen" und machen es an mangelndem Einsatz fest. Es lag nicht an mangelndem Können, der Projektleiter hat es einfach nicht verstanden, sein Team zu motivieren!
Nun wird das Antreiben der Mannschaft zur Chefsache erklärt. Man erreicht kurzfristige Leistungsspitzen, der Manager fühlt sich daraufhin bestätigt. Leider fehlt dem Lösungsansatz die Nachhaltigkeit, denn meist folgen Demotivation und ein hoher Krankenstand.
Weitere Hinderungsgründe: Ignoranz und Scheu vor Transparenz
Viele Manager scheuen auch die Transparenz der eigenen Verantwortung, sind vielleicht mangels geeigneter Kontroll- und Kommunikationsmechanismen viel zu weit weg von den Vorgängen im Projekt, oder suchen die Ursachen primär in fachlichen/technischen Problemen und nicht darin, wie das Projekt geführt wird.
Das liegt daran, dass Projektmanagement auf Executive-Level oft als Commodity, also Routine, angesehen wird, etwas was z.B. jeder gute Ingenieur ja ganz nebenbei können muss. Zu selten fragen sich die Top-Manager, ob der von ihnen zum Projektleiter Ausgewählte das wirklich kann (Stichwort Methodik, Führungsqualitäten usw.) – und ob er es überhaupt will.
Folglich werden viele der so ernannten Projektleiter diese Rolle nur eingeschränkt gut ausfüllen und im Krisenfall ein ganz natürliches menschliches Verhalten zeigen, nämlich sich auf das zu konzentrieren, was sie am besten können – und das "ungeliebte" Projektmanagement fällt hinten runter.
Fehlerkultur: Probleme lösen sich selten von selbst
Und so wird in den meisten Krisenprojekten viel zu lang auf Selbstheilung gehofft und zugewartet, bis die Situation richtig verfahren ist. Das liegt auch daran, dass viele Manager nicht wissen, dass es Experten gibt, die sich auf Revision und Sanierung spezialisiert haben.
Andere können sich nicht vorstellen, sich von außen Hilfe ins Unternehmen zu holen, weil ein Externer ja das Unternehmen und das Projekt gar nicht so gut kennt wie man selbst, weil er unangenehme Fehler aufdecken könnte, oder weil er einfach zusätzliches Geld kosten würde. Dabei zeichnen sich gute Sanierer ja gerade durch schnelle Auffassung und konsequentes Angehen der Probleme aus – und als Externe können sie die auch ohne Rücksicht auf die interne Hierarchie benennen.
Stattdessen schreiben die Verantwortlichen das Projekt und den erhofften Business-Nutzen ab – ganz zu schweigen von dem bereits investierten Geld. Hier sehe ich auch die direkten Projektbeteiligten in der Pflicht: Im Sinne des Unternehmens sollten sie frühzeitig das Management in die Verantwortung nehmen und dieses darauf drängen, einen Restrukturierer einzukaufen – von Extern, denn wie sich gezeigt hat, findet man intern keine funktionierende Lösung.
Je früher eingegriffen wird, desto besser die Chancen
Kein Projektsanierer kostet auch nur annährend so viel wie ein Projekt, das stetig Geld verbrennt und am Ende scheitert! In vielen Unternehmen scheint die Abschreibung größerer Beträge aber weniger karriereschädlich zu sein, als Fehler einzugestehen und konsequent anzugehen – Stichwort Fehlerkultur…
Die vorstehenden Zeilen schildern nur den "allgemeinen Teil" der Ursachen, warum Krisen-Projekte oft zu dem werden, was sie sind. Dazu kommen selbstredend noch eine Reihe branchen- und projektart-spezifischer Gründe, die ich immer wieder bei meinen Gutachten antreffe. Dass die Erfolgschancen und Deckungsbeiträge einer Projekt-Sanierung umso größer sind, je früher Executives sich zu diesem Schritt entschließen, sollte einleuchten.
Mir bleibt nur, an Sie zu appellieren, zeitnah und verantwortungsbewusst zu entscheiden! Was sind Ihre Erfahrungen hierzu? Diskutieren Sie mit mir und vertiefen Sie das Thema, ich freue mich auf Ihren Kommentar.
Andreas Geier
07.07.2017