Konfliktbewältigung in Projekten
Konfliktbewältigung in Projekten
Problem erkannt - Problem gebannt? Nein, keineswegs. Häufig werden Konflikte in Projekten, die den Beteiligten seit längerem bekannt sind, nicht gelöst. Allein die Kenntnis der Konfliktursachen und die Ausarbeitung von geeigneten Maßnahmen reichen in manchen Fällen nicht aus, um Konflikte zu lösen. Man muss auch der Frage nachgehen, wie Konflikte stabil bleiben bzw. stabilisiert werden. Manche Personen und Gruppen haben ein "gutes Repertoire" entwickelt, Konflikte nicht zu lösen. Für die Praxis ist es wichtig, dieses Repertoire zu verstehen, um nicht darauf hereinzufallen.
Die Stabilität von Konflikten verstehen
Folgende Strategien dienen dazu, Konflikte zu stabilisieren.
Man spricht nicht darüber
Die einfachste Methode zuerst: Solange es geht, sich nicht mit dem Problem auseinandersetzen bzw. nicht darüber reden. Am besten alles unter den Teppich kehren, auf diese Weise umgeht man die Auseinadersetzung. Dieses Konfliktvermeidungsverhalten kann nach dem Motto "Aussitzen ist auch eine Methode" bewusst eingesetzt werden oder im Sinne der Verdrängung bzw. Verleugnung von Problemen unbewusst geschehen.
Was können Projektleiter oder Projektmitarbeiter in diesen Fällen tun? Die geeignete Maßnahme ist in aller Regel, das Problem sachlich und klar anzusprechen. Dabei sollte darauf geachtet werden, ob das Thema unter vier Augen oder in der Gruppe geklärt werden muss. In bilateralen Gesprächen lassen sich Probleme oft besser lösen, da ein Gesichtsverlust gegenüber der Gruppe vermieden wird.
"Geschickte" Wahl von Ort und Zeit
Wenn sich Diskussionen wirklich nicht mehr umgehen lassen, greifen manche Personen auf eines zurück: Klärungsgespräche werden kurz vor Feierabend oder vor einem wichtigen Meeting im Sitzungsraum anberaumt, mit dem Risiko, dass Dritte das Gespräch stören. Auf diese Weise lassen sich die Probleme hervorragend stabilisieren und sogar noch verstärken.
Für Konfliktlösungen kann es ganz entscheidend sein, dass alle Beteiligten mit dem Ort und dem Zeitpunkt des Klärungsgesprächs einverstanden sind. Das spielt nicht nur in der Politik eine Rolle, sondern gilt auch für den Alltag. Achten Sie deshalb auf Ort und Zeit von Konfliktgesprächen, lassen Sie sich - wann immer es geht - keine nachteilige Ausgangslage aufs Auge drücken.
Konflikt zerreden
Konflikte bleiben hervorragend stabil, indem die Beteiligten immer wieder darüber reden. Man weiß: Kommunikation ist wichtig und eine wirklich fundierte Konfliktlösung braucht eine fundierte Ursachenanalyse. Das Thema muss von allen Seiten immer wieder be- und durchleuchtet werden, schließlich will man Fehler vermeiden. Die Ursachenanalyse ist zwar ohne Zweifel wichtig, doch sich wiederholende Ursachenanalysen können auch dazu eingesetzt werden, um Entscheidungen zu vermeiden. Berichte, Gutachten, wiederholte Besprechungen oder Workshops sind Möglichkeiten, um die notwenige Entscheidung zu umgehen oder zumindest hinaus zu zögern.
Fragen Sie sich, ob es wirklich notwendig ist, weitere Ursachenanalysen durchzuführen. Ist nicht bereits alles gesagt, liegen nicht alle Fakten auf dem Tisch? Weisen Sie darauf hin, dass Sie eine Entscheidung benötigen. Die Konsequenzen weiterer Verzögerungen für das Projekt müssen von der Projektleitung kommuniziert werden, am besten schriftlich und mündlich. Es kann auch sehr hilfreich sein, auf das Wiederholungsmuster einer dauernden Problemanalyse hinzuweisen: "Wir drehen uns im Kreis, es ist alles gesagt". Der Nutzen der weiteren Informationsbeschaffung steht in keinem rationalen Verhältnis zum Aufwand. Der Nutzen liegt in der Vermeidung der Entscheidung.
Den anderen zum hoffnungslosen Fall erklären
Ein äußerst wirksames Mittel, einen Konflikt längerfristig aufrecht zu erhalten, besteht darin, eine andere Person zum hoffnungslosen Fall zu erklären: "Ob ich ihm das sage oder nicht, es ist egal, denn er ist schlicht und ergreifend unfähig". Ein Projektleiter antwortete mir auf meine Frage, warum er die Probleme mit seinem Auftraggeber nicht besprochen hat: "Das ist völlig sinnlos, unser Herr Bereichsleiter (der Auftrageber des Projekts) ist eine Null so groß wie der Äquator." Der Bereichsleiter wird als "mad" erklärt und nur ein Verrückter macht etwas gegen einen Verrückten. Der Vorteil dieses Verhaltens liegt auf der Hand: Man braucht sich mit dem anderen nicht auseinander zusetzen, denn wenn man ihn erst einmal zum hoffnungslosen Fall abgestempelt hat, braucht man nichts mehr zu unternehmen.
Nicht nur Personen können so behandelt werden, sondern auch Organisationseinheiten. Führungskräfte und Mitarbeiter eines Bereichs sind sich einig, dass die interne Betriebsorganisation nichts taugt: "Die können Sie vergessen, die haben doch keine Ahnung wie es läuft. Wir holen uns lieber externe Berater für unsere Probleme". Statt sich mit den Kollegen aus der Betriebsorganisation kritisch auseinander zu setzen (wenn diese wirklich zu wenig von ihrer Aufgabe verstehen), wird das eigentliche Problem auf mehr oder minder kostspielige Weise umgangen. "Mad or bad?" - das ist die Frage. Entscheiden Sie sich für die "Mad"-Option, dann steigt die Wahrscheinlichkeit der Konfliktstabilität.
Sabine Bamboschek-Keller
15.02.2013
Martin Schön-Chanishvili
20.06.2017