Scrum Guide 2016: Putting the heart back into it

Drei Jahre nach der jüngsten Aktualisierung haben Ken Schwaber und Jeff Sutherland eine neue Version ihres Scrum Guide veröffentlicht. Die wichtigste Ergänzung: Values!

Scrum Guide 2016: Putting the heart back into it

Drei Jahre nach der jüngsten Aktualisierung haben Ken Schwaber und Jeff Sutherland eine neue Version ihres Scrum Guide veröffentlicht. Die wichtigste Ergänzung: Values!

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Anfang Juli haben Ken Schwaber und Jeff Sutherland eine neue Version ihres Scrum Guide veröffentlicht. Beim Scrum Guide 2016 handelt es sich, im Vergleich zur Vorgängerversion, um einen sogenannten "Refresh" (also eine Aktualisierung). In einem 45 Minuten langen Video sprechen die beiden agilen Urgesteine über die wichtigste Ergänzung: Values. Ein willkommener Anlass für uns, unser aktuelles Schwerpunktthema im Blog "Ethik, Moral und Werte" um einen Beitrag zu erweitern (siehe auch die Beiträge von Dr. Helmut Geiselhardt und Brigitte Schaden).

Die fünf Werte Commitment, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut stellen, wie Ken Schwaber im Video es nennt, "the Lifeblood" (also Lebensnerv oder Lebenssaft) dar, das, "was Scrum lebendig macht". Schwaber und Sutherland widmen diesen fünf Werten im Scrum Guide 2016 ein eigenes Kapitel, bestehend aus zwei Absätzen.

Vom Umfang her ist das nicht viel, daher war ich dankbar, dass Schwaber und Sutherland im Video Ihre Gedanken und Überlegungen zu den Werten ausführlich erläutern. Das Kapitel finden Sie auf Seite vier unten in der englischsprachigen PDF des Scrum Guide (die deutschsprachige Version wurde noch nicht aktualisiert).

Commitment als zentraler Wert

Schwaber und Sutherland erklären im Video, dass die Reihenfolge nicht zufällig gewählt ist: Commitment (also Einsatz und Verpflichtung) stellt für sie die Grundlage der Arbeit eines jeden nach Scrum arbeitenden Entwicklungsteams dar: Sie müssen "brennen" für Ihr Projekt und Selbsterfüllung darin finden. HR-Mitarbeiter und sicher auch Projektleiter dürften davon begeistert sein.

Erst Commitment ermögliche es dem Team, sich ganz auf seine Projektziele zu konzentrieren, sich also einen klaren Fokus zu setzen. Die Offenheit der Teammitglieder sei notwendig, damit sie im Team die besten Ideen entwickeln können. Dazu müssen sich die Beteiligten respektieren, z.B. indem bei Fehlern kein Schuldiger gesucht wird (siehe dazu unsere Artikelserie: "Was zeichnet eine positive Fehlerkultur aus?"). Auch der fünfte Wert Mut stellt aus Sicht der Autoren eine wichtige Voraussetzung für Offenheit dar.

Bezogen auf die letzten drei Werte ist die Logik nicht ganz eingängig (was ist Grundlage für was?), die Ausführungen von Schaber und Sutherland lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass ein Scrum-Team nur dann gute Ergebnisse liefert, wenn es in der entsprechenden kulturellen Umgebung arbeiten kann.

Die Community ist zufrieden

Die Anregung zum neuen Kapitel kam nach Angabe von Schwaber und Sutherland übrigens aus der Scrum-Community (siehe Bild) – die sich dementsprechend positiv äußert (wenn auch nur spärlich). In der Xing-Gruppe "Scrum" begrüßt Dr. Jürgen Hoffmann die Rückkehr der Werte: Schwaber hatte bereits in seinem erstem Buch "Agile Software Development with Scrum" (2001, mit Mike Beedle) das abschließende Kapitel den Werten gewidmet. Hoffmann findet, dass Werte "die Grundlage für den Einsatz von Scrum darstellen, was in der Praxis oft verdrängt wird und zu Schmerzen in den Einführungsprozessen führt." Thomas Spielhofer sieht das genauso, augenzwinkernd schreibt er, dass das Ignorieren der Kulturebene fast schon System habe.

Felix Rüssel schreibt in seinem Blog Agile Rescue: "Die Bedeutung dieser Werte wurde/wird systematisch unterschätzt. Die Werte sind Teil einer Kultur, die viele kritische Aspekte von Scrum kompensiert." Leider liefert er kein Beispiel für einen solchen Aspekt.

Kommentare aus der Scrum-Community
 

Bild: Das Thema "Werte" brannte der Scrum-Community offenbar unter den Nägeln.
© Scrum.org & Scrum Inc.

Noch einige Reaktionen von außerhalb der DACH-Region: Auf LinkedIn zeigt sich Nader K. Rad, PMP und PRINCE2 Practioner aus dem Iran enttäuscht. Er hatte auf mehr Änderungen gehofft und verweist in diesem Zusammenhang auf die regelmäßige Überarbeitung des PMBOK Guide. Die zahlreichen Kommentare legen jedoch nahe, dass er mit seiner Meinung eine Außenseiterposition bekleidet.

Doch auch Fakhruddin Bandukwala aus Indien wünscht sich weitere Änderungen: Für ihn geht die Aufnahme von Werten nicht weit genug, er spricht sich für die Ergänzung von "Ethics" (Moral) aus. Die von ihm initiierte Abstimmung darüber hat bislang acht Stimmen.

Warum jetzt?

Die überwiegend positiven Reaktionen zeigen: Schwaber und Sutherland haben mit der Aufnahme der Werte nichts falsch gemacht. Jedoch frage ich mich unwillkürlich: Warum erst jetzt – 15 Jahre, nachdem Schwaber das Thema erstmals aufbrachte? Im Video nennt Sutherland dazu als einzigen Grund die überwältigende Anzahl an Kommentaren, daher hielten sie es für einen guten Zeitpunkt, dies einzuführen. Es handele sich auch um keine Veränderung, so Sutherland weiter, sondern um eine Klarstellung. Schwaber ergänzt dazu: "This actually puts the heart back into it." (bei Minute 7:15 im Video)

Zwischen 2001 und 2016 hat der Scrum Guide anscheinend ohne diese Klarstellung funktioniert. Warum benötigt er sie heute? Handelt es sich um eine Schutzmaßnahme gegen die rasante Popularisierung und die damit einhergehende Verwässerung von Scrum? Schließlich scheinen immer mehr Manager Scrum als "normale" Methode zu sehen, die sie nutzen möchten, den damit verbundenen Kulturwandel aber nicht wollen – Stichwort "Scrum but" (siehe dazu auch den Blogbeitrag "Scrum-Techniken im Projekt – darf's ein bisschen mehr sein?").

Unsere beiden Autoren Oliver Knittel und Otmar Seckinger haben in ihrem Fachbeitrag "Wer Scrum einführt, muss auch agil werden" klar Stellung bezogen: "Ruiniert Scrum nicht – dafür ist es zu gut!" Und weiter: "Scrum ist zu gut durchdacht, um von einem planlosen Berater für ein Unternehmen kastriert zu werden, damit man ja nicht mit den bestehenden Hierarchien in Konflikt gerät. Agile Entwicklung nach Scrum verlangt immer das Hinterfragen der bestehenden Bedingungen. Wer das nicht will, sollte die Finger von Scrum lassen und lieber eine der skizzierten Alternativen wählen."

Was bringts?

Was halten Sie von dieser Ergänzung für den Scrum Guide: Wird die Formulierung der fünf Werte dafür sorgen, dass Scrum-Einführungen künftig reibungsloser ablaufen? Werden Sie ungeeignete Unternehmen davon Abstand nehmen lassen, Scrum einführen zu wollen?

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Alle Kommentare (1)

Guest

Auch ich bin der Meinung, dass die Wiederkehr der Werte ein wichtiger Schritt war aber nicht weit genug geht. Der Scrum-Guide ist kompakt und soll es auch bleiben aber die Probleme mit der Einführung von Scrum in einem Unternehmen werden sich dadurch wohl kaum regulieren. Aktuell möchte jeder Scrum aber keiner will sich ändern. Gerade in Deutschland ist es extrem schwer bestehende Organisationsstrukturen aufzubrechen. Management 3.0 ist das Thema und darauf geht Scrum zu wenig ein. Zu allen 3 Rollen in Scrum gibt es Zertifizierungen und auch zur Skallierung von Scrum. Ich wünsche mir eine Zertifizierung "Scrum Management". Die äußeren Bedingungen bei der Transition müssen berücksichtigt werden ansonsten ist Scrum ein Container im Unternehmen der für sich gesehen funktionieren kann aber immer wieder äußere Einflüsse abbekommt. Da hat der Scrum-Master einiges zu tun. Ich spreche da aus Erfahrung ;-) Dennoch ist der Weg richtig und wichtig!