Machen Sie Software – oder Ihren Job?

Neulich traf ich auf eine Projektleiterin am Rande eines Wutausbruchs. Sie schimpfte: "Seit drei Tagen schlage ich mich schon mit dem Projektplan herum!" Ich wandte ein, dass das keine ungewöhnlich lange Zeit für eine Projektplanung sei. Sie schaute mich an, als ob sie mich fressen wollte und sagte: "Aber ich rede doch gar nicht von der eigentlichen Planung! Ich sitze seit drei Tagen nur noch am Rechner und fitzele an dieser verdammten PM-Software herum.

 

Machen Sie Software – oder Ihren Job?

Neulich traf ich auf eine Projektleiterin am Rande eines Wutausbruchs. Sie schimpfte: "Seit drei Tagen schlage ich mich schon mit dem Projektplan herum!" Ich wandte ein, dass das keine ungewöhnlich lange Zeit für eine Projektplanung sei. Sie schaute mich an, als ob sie mich fressen wollte und sagte: "Aber ich rede doch gar nicht von der eigentlichen Planung! Ich sitze seit drei Tagen nur noch am Rechner und fitzele an dieser verdammten PM-Software herum.

 

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Neulich traf ich auf eine Projektleiterin am Rande eines Wutausbruchs. Sie schimpfte: "Seit drei Tagen schlage ich mich schon mit dem Projektplan herum!" Ich wandte ein, dass das keine ungewöhnlich lange Zeit für eine Projektplanung sei. Sie schaute mich an als ob sie mich fressen wollte und sagte: "Aber ich rede doch gar nicht von der eigentlichen Planung! Ich sitze seit drei Tagen nur noch am Rechner und fitzele an dieser verdammten PM-Software herum. Das bringt mich aber nicht weiter! Das kostet bloß irre viel Zeit. Ich muss jedes verflixte Arbeitspaket einzeln durchgehen. Ich mache hier Software-Pflege statt meiner eigentlichen Arbeit. Als wir damals mit Vesperzetteln planten – das war schon schlimm. Aber das hier ist schlimmer. Keine Ahnung, warum uns der Vorstand ausgerechnet mit diesem System bestraft!" Sie ist nicht allein. Diese Klage höre ich häufig. Warum?

Das Problem

PM-Systeme machen mitunter Probleme. Nehmen wir ein ganz alltägliches Problem, das Projektleiter Maier hat. Das heißt: Zunächst hat er kein Problem. Im Gegenteil. Sein PM-System sagt ihm nach abgeschlossener Planung: "Termin kann eingehalten werden." Maier ist spontan erfreut. Dann doch etwas überrascht. Damit hat er nicht wirklich gerechnet: Bei so wenigen Leuten im Team? Wie soll das gehen? Er ist echt gespannt, wie das System das gedeichselt hat. Vielleicht kann er ja noch was lernen. Was ist das Geheimnis? Neugierig nimmt er die Systemplanung etwas genauer unter die Lupe – und entdeckt das Geheimnis des Planungserfolgs: Sechs von acht Teammitgliedern sind zu teilweise über 500 Prozent überbucht. Statt 20 Tage im Monat arbeitet ein Teammitglied zum Beispiel 100 Tage – das freut doch jeden Arbeitgeber! Ein Monat mit 100 Tagen und bezahlt wird nur für 20; Wahnsinn! Toller Monat. Wie kann das System so einen Bock schießen? Und wie konnte der Vorstand bloß so etwas Bizarres genehmigen?

Des Pudels Kern

Bitte keine Vorwürfe an die Vorstandsadresse! Woher sollte der Vorstand das auch wissen? Er weiß nur: "Das ist ein super System!" Das hat ihm der Software-Verkäufer verraten. Was hätte er ihm auch anderes sagen sollen? Ob man es glaubt oder nicht: Selbst in so (scheinbar) fortschrittlichen Zeiten wie heute gibt es viele, sogar sehr viele Systeme, die unter diesem Problem leiden: Sie überplanen Kapazitäten. Häufig bis generell. Wer das verhindern möchte, muss mühselig und zeitraubend hinter der Software "aufräumen", jedes Arbeitspaket einzeln betrachten und sich überlegen: Wie teilen wir die Ressourcen auf? Okay, bei diesem Arbeitspaket brauchen wir mehr Leute! Oder schlicht eine längere Laufzeit? Das muss man sich tatsächlich alles selber aus den Fingern saugen. Immer?

Die Ausnahmen

Es gibt tatsächlich Systeme am Markt, die eine Überbuchung von Kapazitäten von vorne herein nicht zulassen oder von sich aus Lösungen vorschlagen. Kleiner, total trivialer Tipp: Für solche Systeme sollte sich ein Vorstand entscheiden. Wenn er es gut meint mit seinen Projektleiterinnen und Projektleitern. Und wenn er realistische Projekteinschätzungen vom System möchte. Da liegt der Hase im Pfeffer: Es soll eine Menge Entscheider geben, die das nicht möchten. Eher im Gegenteil. Sie möchten oder schätzen zumindest ein überbuchendes System, damit sie nach der Planung sagen können: "Was wollt ihr denn? Habt euch nicht so! Von wegen ‚keine freien Kapazitäten mehr!‘ Das Projekt passt doch noch super rein! Seht ihr das nicht! Das System sagt es klar und deutlich." – "Ja, klar", murmeln die Projektleiter frustriert, "bei 300 Prozent Überbuchung!" Ketzerisch gefragt: Ist das so schlimm?

Das eigentliche Problem

Worum geht es eigentlich? Es geht doch nur oberflächlich betrachtet um Software. Im Grunde geht es jedoch um das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts: Ressourcen. Wir befinden uns heutzutage alle mehr oder weniger im klassischen PM-Dilemma: Entweder habe ich zu viele Projekte oder zu wenig Leute. Deshalb benötige ich dringend eine realistische und möglichst einfache Ressourcensteuerung. Einfach bedeutet: Das System soll das machen! Wenn ich 50 Leute habe, die bunt verteilt in vielen Projekten mitwirken – da kann doch kein Mensch mehr händisch und alleine die Kapazitäten planen! Entweder man bewegt sich weiter im Blindflug – oder man wählt das passende System. Nur so kann man die zentralen Fragen unserer Zeit zuverlässig beantworten: Welche Projekte können wir noch reinnehmen? Welche müssen wir zurückstellen? Angenommen, wir nehmen dieses hier noch rein: Was heißt das für die anderen Projekte? Gerade weil man von Hand oder mit verschiedenen Systemen (ungenau) plant, nimmt man dann voller Enthusiasmus noch ein Projekt an und muss mittendrin dem Kunden oder Auftraggeber klar machen, dass sich sein Projekt verzögert. Das alles sollte ein System doch eigentlich verhindern. Und zwar so, dass es dem Projektleiter weniger und nicht mehr Aufwand macht.

Der Aufwand

Es klingt banal, aber in der Realität ist es eben nicht so: Die Software sollte dem Projektleiter keine zusätzliche Arbeit machen, sondern Arbeit abnehmen. Damit er nicht in der Softwarepflege ertrinkt, sondern sich um seine eigentliche Aufgabe kümmern kann: Projekte leiten. Warum schaffen das so wenige Systeme? Weil viele noch auf alten Algorithmen aufbauen, die wegen der stetig gestiegenen Komplexität des Systems mit der Zeit immer fehleranfälliger wurden und aus Kostengründen nicht mehr wesentlich verbessert werden können. Was kann man dagegen tun?

Die Selbsthilfe

Eigentlich haben Sie nur eine Möglichkeit sich zu wehren: Weisen Sie immer und immer wieder – und ausgesucht höflich – darauf hin, dass das ausgewählte Tool die Projektrealität nicht realistisch abbildet. Weisen Sie darauf hin, sobald der Auftraggeber oder eine Führungskraft mit Verweis auf die Aussagen des Tools Kritik am Projektstand anbringt. Dieser Hinweis ist die Pflicht. Die Kür ist: Weisen Sie auf ein Tool hin, das nachweislich Ressourcen ohne Überbuchung planen kann. Es sind mir keine Fälle bekannt, in denen ein Entscheider daraufhin sagte: "Sie haben Recht. Wir haben mit der Auswahl dieses Systems einen Fehler begangen. Jetzt holen wir uns die richtige Software." Das wird in aller Regel nicht passieren. Aber: Sie zeigen dem Verantwortlichen damit, dass Sie sich mit Ihrem Hinweis auf das mangelhafte Tool nicht "herausreden" wollen, sondern dass es durchaus System-Alternativen gibt.

Die Preistransparenz

Wer zahlt, schafft an – auch mitunter das falsche System. Aber dann sollte man dem Anschaffer den Preis seiner Entscheidung offenlegen. Regelmäßig, konsequent, ehrlich, direkt und mit ausgesuchter Höflichkeit. Gewissenhafte ProjektleiterInnen weisen ihre Entscheider darauf hin. Sie machen das fallweise sehr schlagfertig, wie Dialoge belegen, deren Zeuge ich regelmäßig werde; zum Beispiel:

Auftraggeber: "Der Meilenstein müsste längst erreicht sein!"

Projektleiter: "Das behauptet das System – die Realität sieht anders aus."

Wenn ein Vorstand das von möglichst vielen Projektleitern immer wieder hört, gewinnt er mit wachsender Wahrscheinlichkeit auch die passende Erkenntnis: "Dieses Tool war wohl doch nicht die beste Entscheidung. Ich sollte mich künftig nicht mehr so intensiv darauf beziehen." Ich wünsche es Ihnen.

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Alle Kommentare (7)

Heinrich
Unger
Dipl.-Ing.

Ist nett. In meiner Realität habe aber immer die Vorstände bzw. Geschäftsführer unhaltbare Zeitpläne gefordert. Z.B. bei einem der letzten waren Kundenanbindugnsumstellungen geplant. Nun zeigt unsere Erfahrung, dass gerade die großen Kunden keine Motivation haben ihre Software anzupassen. Trotz Hinweisen, dass das IMMER 2 Jahre braucht, und wir da aus zig Umstellungen Erfahrungswerte haben hat es halt der Geschäftsführer durchgedrückt, dass das Projekt nur 1 Jahr dauern darf und da müssen alle umgestellt sein. Da die Zeit nicht einzuhalten war, hat das zuständige Vorstandsmitglied, als Projektauftraggeber für das Projekt quasi von vornherein verweigert, und keine Entscheidungen getroffen. Er hatte ja sowieso den schwarezn Peter. Er nutzte die Projektressourcen für andere vesteckte Projekte, da Projekt würde sowieso länger dauern. Der Projektleiter mühte sich redlich. DIe IT war mit Ihrern Entwicklungen natürlich fertig, dürfte aber nicht mal mit den KUnden reden. Und siehe da, ganz unerhofft hat sich das Projekt extrem verzögert. Und schuld war natürlich die IT, die von vornherein belegbar auf die Unmöglichkeit des Zeitplans hingewiesen hat, und auch von vornherein erwähnt, darauf hingewiesen hat, auf die KUnden gar nicht zu gehen zu dürfen.

 

Guest

Als ehemaliger Informatiker/Organisator/Qualitätsmanager und Projektleiter mit über 45 Jahren Berufserfahrung muss ich feststellen, dass sich - betreffend der fachlichen Inkompetenz vorgesetzter Stellen und deren negative Auswirkungen auf den Projektverlauf, offensichtlich wenig geändert hat. Wo die "Hierarchische Autorität" durchschlägt, steht jeder Projektleiter auf verlorenem Posten.

 

Guest

Ich kenne einige Projektmanagement-Systeme: kostenfrei, billig, teuer und sehr teuer. Aber ein System, dass mit Algorithmen nützliche Projektpläne hervorbringt - vor allem ohne langwierige Nacharbeiten - kenne ich nicht. Es wäre schön, wenn Sie die Merkmale dieser Systeme nennen könnten oder gar die konkreten Namen. Ein Verbot von Überbuchungen alleine reicht da sicher nicht aus... Daher bin ich heilfroh, dass ich zunehmend mehr in agilen Kontexten arbeiten darf, die einfach nicht diese riesigen und letztlich nicht kalkulierbaren Planungshorizonte haben.

 

Klaus D.
Tumuscheit

Antwort auf von Gast (nicht überprüft)

Guten Abend Frau Schlich Wir haben in den letzten 20 Jahren mit den unterschiedlichsten Tools gearbeitet und haben uns mit keinem so richtig anfreunden können. Zur Zeit arbeiten wir in einem internationalen Projekt mit „AdaptivPlan". Uns war wichtig, dass unser methodisches Vorgehen unterstützt wird. Wir uns also nicht dem Tool anpassen müssen. Dieses System errechnet die optimale Abfolge aller Aufgaben und Arbeitspakete. D.h. es wird der schnellstmögliche Weg zur Fertigstellung des Projektes berechnet. Natürlich unter Einhaltung aller Einschränkungen wie z.B. Abhängigkeiten sowie die Verfügbarkeit der benötigten Mitarbeiter. Die Arbeitszeiten der Mitarbeiter bestimmen in Abhängigkeit mit dem Aufwand die Dauer der Aufgaben und damit der Arbeitspakete. Mehrere Aufgaben können nicht zeitgleich von einer Person bearbeitet werden. Möglicherweise gibt es auch andere Tools, die diese Funktionalität abbilden. Aber es ist ja eine Wissenschaft für sich, hier den Überblick zu behalten. Viele Grüße aus Heidelberg Klaus Tumuscheit

 

Guest

PM-Software verleitet gern dazu, sich darauf zu verlassen. Kann man aber nur, wenn auch alles bis ins Kleinste darin stimmt, d.h. mit viel Aufwand erfasst und abgeglichen wurde. Und wenn sich etwas ändert, muss man das auch wieder in allen Einzelheiten nachziehen. Ich nutze PM-Software nur so viel, wie sie mir Nutzen bringt. MS Project beispielsweise nur für ein sinnvoll granulares Planen und Kontrollieren von Aktivitäten mit (geschätzter) Dauer (Einstellung "feste Dauer") und den Abhängigkeiten. Ressourcen und Risiken planen und nachhalten konnte und kann man mit dem System eh nicht gescheit, also nutze ich dafür etwas anderes. Das Konsolidieren aller Planungen und das Beurteilen der Einflüsse von Änderungen ist Hirn-, Methodik- und Erfahrungsleistung eines guten Projektmanagers. Fazit: Wenn Projektmanagement mit einem Tool gemacht werden könnte, bräuchte man keinen Projektmanager. Manager, die Projektmanagement mit einem Tool verwechseln oder ersetzen wollen, steuern ihr Unternehmen wohl auch mit Checklisten. Und sie bekommen die Projekte, die sie verdienen...

 

Guest

Es verwundert mich immer wieder, mit welcher Naivität Führungsmanagement von Planungssystemen erwartet, dass sie ihnen Entscheidungen abnehmen. In Ihrem Beispiel: Ist es tatsächlich die beste Lösung, keine Überlasten zuzulassen? Vielleicht verschiebt man im konkreten Fall besser ein anderes Projekt? Oder senkt die Bearbeitungsintensität paralleler Vorgänge? Oder prüft, wo man Leistung einsparen kann? Oder setzt einen zusätzlichen Mitarbeiter ein? Oder hält die Überlastung aus? Herr Tumuscheit, Sie sehen, die Entscheidung muss abgewogen werden und kann nicht durch eine noch so gute Software abgenommen werden. Wie realistisch bilden Softwaresysteme eine Planung ab? Das hängt wohl vorwiegend von den Eingaben ab. Erwarten Sie von den Planern unrealistisch optimistische Pläne, werden Sie diese im Planungssystem wiederfinden. Gehen Sie davon aus, dass die meisten Systeme nach anerkannten Methoden wie beispielsweise Netzplantechnik richtig rechnen. Eigentlich sollte der beste Zweck einer Planungssoftware im transparenten Aufzeigen möglicher Konflikte liegen. Als Handlungsaufforderung für das Management, den Konflikt zu lösen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Planungssoftware durch Führungsmanagement gern als Ersatz für eine notwendige, jedoch meist schwierigere Gestaltung von Planungs- und Kommunikationsprozessen eingeführt wird.

 

Guest

In dem Artikel wird die spezielle Situation beschrieben, dass der Auftraggeber eines Projektes auch der Entscheider der zu verwendendeten PM-Software ist. Diese Konstellation wird in groesseren Unternehmen selten anzutreffen sein. Dann wird es fuer den Projektmanager schwierig gegenueber dem Auftraggeber mit Verweis auf die Software zu argumentieren. Da muss er selbst fuer das Planungsergenis gerade stehen, bzw. Muss dies ggf. Manuell anpassen. Gerade wenn die Software komplexe Optimierungen/Berechnungen vornimmt, wird es aufwaendig nachzuvollziehen, wie das Ergebnis berechnet wurde. Ich bevorzuge fuer kleine Projekte daher ein MS Excel Template mit wenigen Formeln. Fuer groessere nutze ich MS Projekt, wobei ich vor dem Anstoss von Optimierungsalgorithmen immer eine Sicherung vornehme. Dann kann ich bei nicht nachvollziehbaren Ergenissen wieder beim vorherigen Stand aufsetzen. Der Aufwand fuer die Toolnutzung sollte nicht unterschaetzt werden.