Beckett (auch) für Projektmanager
Lebenshilfe liegt enorm im Trend. Der Büchermarkt ist voll davon. Warum sollte man die Randgruppe der Projektmanager davon ausschließen? Auch ich habe einen Beitrag zur Projektmanager-Lebenshilfe auf Lager.
Beckett (auch) für Projektmanager
Lebenshilfe liegt enorm im Trend. Der Büchermarkt ist voll davon. Warum sollte man die Randgruppe der Projektmanager davon ausschließen? Auch ich habe einen Beitrag zur Projektmanager-Lebenshilfe auf Lager.
Ich rechne demnächst mit dem ultimativen Kompendium für die Projektmanager-Lebenshilfe mit dem Titel "Die 229 unumgänglichen Erfolgsgeheimnisse im High Performance Break Through Projektmanagement". Das Werk wird alle Bücher zusammenfassen, deren Titel mindestens ein Wort mit dem o. g. gemeinsam haben.
Und hier ist mein Beitrag zur Projektmanager-Lebenshilfe: Lassen Sie sich zertifizieren.
Auch das Projekt Magazin hat schon viele Artikel und Blogbeiträge zum Thema Zertifizierung veröffentlicht; die meisten unter dem Aspekt, welchen Nutzen ein zertifizierter Projektmanager seinem Unternehmen bringt und wie nützlich ein Zertifikat für die Karriere des Projektmanagers ist. Ich möchte stattdessen einen Gesichtspunkt behandeln, der m. E. bislang zu kurz gekommen ist.
Wenn sich die Lebensumstände drastisch ändern, macht man die wichtigsten Erfahrungen zu Beginn dieser Zeit. So ging es auch mir, als ich meine erste Stelle in der Wirtschaft antrat. Der Manager, der mich eingestellt hatte, rief mich an meinem ersten Arbeitstag zu sich, um mir den neuen Job zu erklären. Meine Aufgabe war ein wenig heikel bezüglich der menschlichen Zusammenarbeit mit den neuen, meist sehr erfahrenen Kollegen, und der Manager sagte zu mir: "Was Sie für diese Tätigkeit brauchen, ist freundliche Penetranz!" Das habe ich mir gemerkt, denn es stimmte; die Aufgabe hatte mit Change Management zu tun, und um andere dabei mitzunehmen, muss man zwanzigmal in dieselbe Kerbe hauen und darf dabei niemals die Contenance verlieren. Dieser Tipp war der wichtigste, den ich in den sieben Jahren meiner Firmenmitgliedschaft bekommen habe.
"Was Du auch tust, Du wirst immer auf jemanden treffen, der glaubt, es besser zu wissen"
Auch als Projektmanager haben ich davon gezehrt. Wie oft gaben sich bei mir die Stakeholder die Klinke in die Hand, nachdem ich nach reiflicher Überlegung eine bestimmte Maßnahme ergriffen habe – egal ob im Bereich Planung, Organisation oder Durchführung: "War das wirklich nötig? Können wir das nicht weglassen? Sollten wir das nicht so machen? Das haben wir noch nie (so) gemacht! Mit Excel geht das auch/leichter/besser. Das passt nicht zu uns. …"
Und gerade Projektmanagement-Novizen fällt es schwer, dagegenzuhalten mit den Argumenten, dass man sich das gut überlegt hat, dass es in Büchern empfohlen wird etc. Denn gerade in großen Unternehmen gilt häufig die Regel: Was Du auch tust, Du wirst immer auf jemanden treffen, der es besser weiß oder kann (oder es zumindest glaubt oder in dem Ruf steht, ein "Experte" zu sein).
Also Zertifizierung. Bevor man sein Zertifikat bekommt, muss man Schulungen mitmachen. Der Sinn einer Schulung ist, den eigenen Erfahrungsweg abzukürzen, indem man von den Erfahrungen anderer Leute profitiert. Ginge es nur um Theorie, könnte man stattdessen ein Lehrbuch lesen.
Zertifizierungen stärken das Rückgrat
Damit man eine Prüfung oder ein Assessment besteht, muss man viel hören, sehen, lesen, diskutieren, reflektieren, also sich mit Projektmanagement beschäftigen. Man muss sich mit Standards beschäftigen. Standards sind teils mehr oder weniger sinnvolle Vorschriften, teils aber auch geronnene und destillierte Erfahrungen anderer Experten, hier z.B. aus sechzig Jahren Projektmanagement, firmenübergreifend und halbwegs kulturunabhängig.
Und das ist das Entscheidende: Nicht das Zertifikat; das bedeutet allenfalls etwas für die Außenwirkung. Es ist die intensive Beschäftigung mit dem Thema und das daraus resultierende Gefühl, eine schweigende Mehrheit von früheren Fachleuten hinter sich zu haben, die einen bestärken in der Ansicht, auf dem richtigen Weg zu sein.
Ein Problem jedes Projektmanagers ist doch, dass, auch wenn er die richtige Einstellung hat und die richtigen Methoden und Tools einsetzt, seine Arbeit nicht unbedingt erfolgreich ist; Projekte scheitern schließlich aus mannigfachen Gründen und nicht nur wegen schlechtem Projektmanagement.
Jetzt ist es an der Zeit, Samuel Beckett zu zitieren, was gerade sehr angesagt ist: Tennisspieler lassen es sich eintätowieren (Wawrinka), frühere Bundestagspräsidentinnen berufen sich darauf (Süssmuth), jungfräuliche Abenteurer und Raumfahrtpioniere (Branson) sagen, das Zitat hätte auch von ihnen sein können:
Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better. Oder frei übersetzt: Scheitern, weitermachen, nochmal scheitern, besser scheitern, weitermachen.
Zwerge auf den Schultern von Riesen
Das, finde ich, beschreibt auch die Arbeit von Projektmanagern, die nicht nur ihre Projekte zum Erfolg führen sollen, sondern auch noch ständig dafür kämpfen müssen, dass ihre Arbeitsmethodik anerkannt wird und sich im Unternehmen verbreitet.
Und wenn man das Gefühl bekommt, dass man auf den Schultern von, naja, vielleicht nicht gerade von Riesen, aber doch von ganzen Generationen von Fachleuten steht, die mit der Summe ihrer Erfahrungen die gesamte Profession vorangebracht haben, dann trägt die Vorbereitung für die Zertifizierung zur Stärkung des eigenen Rückgrats bei, und man entwickelt ein anderes Standing gegenüber den Anfechtungen der vielen selbsternannten Experten, die einem weismachen wollen, alles außerhalb ihres eigenen Erfahrungsschatzes sei überflüssige Theorie.
Und unabhängig vom Nutzen für die Firma oder die eigene Karriere: Dann hat sich’s doch gelohnt.
twobeef
16.10.2015
W. Plagge
16.10.2015
Dipl.-Ing. Frank Kochems
22.10.2015
Gunnar H. Krause
06.11.2015
W. Plagge
06.11.2015
jsturany
08.11.2015
L Schreier
08.11.2015
Henning Zeumer
31.03.2016
Walter Plagge
01.04.2016