Wie große Unternehmen erfolgreiche Projekte verhindern
Haben Sie mal an einer Ausschreibung zur Besetzung von Projektfunktionen teilgenommen? Dann wissen Sie, wie weit diese manchmal am tatsächlichen Bedarf vorbei gehen und wie viel besser ein maßgeschneidertes Angebot wohl auf die Anforderungen gepasst hätte.
Wie große Unternehmen erfolgreiche Projekte verhindern
Haben Sie mal an einer Ausschreibung zur Besetzung von Projektfunktionen teilgenommen? Dann wissen Sie, wie weit diese manchmal am tatsächlichen Bedarf vorbei gehen und wie viel besser ein maßgeschneidertes Angebot wohl auf die Anforderungen gepasst hätte.
Neulich fiel mir wieder eine Statistik in die Hände, die konstatiert, dass über die Hälfte aller Projekte ihre Zeit-, Kosten- und/oder Qualitätsziele nicht erreichen, und dass 19% sogar gänzlich ohne Nutzen zu stiften eingestellt werden. Bei einem weltweiten Investitionsvolumen von ca. 820 Mrd. Dollar allein bei IT-Projekten in 2008 hätte das einer Totalabschreibung von 156 Mrd. Dollar entsprochen! Eine andere Studie zeigt, dass daran überproportional viele große Unternehmen Anteil haben…
Haben Sie schon einmal an einer Ausschreibung zur Besetzung von Projektfunktionen teilgenommen? Dann haben Sie sicher auch schon erlebt, wie weit diese manchmal am tatsächlichen Bedarf vorbei gehen und wie viel besser ein maßgeschneidertes Angebot wohl auf die Anforderungen gepasst hätte.
Wenn alle das gleiche Bild hätten
Im Grunde sollen Ausschreibungen den Vorteil haben, Angebote vergleichbar zu machen und Kosten zu senken. Dieses Ziel wäre auch durchaus erreichbar, wenn alle Marktteilnehmer die dazu notwendigen Voraussetzungen mitbrächten.
Auf der Nachfrageseite müsste dafür ein klares, fachlich fundiertes und zutreffendes Bild von den benötigten Leistungen und deren möglichen Ausprägungen vorhanden sein, verbunden mit dem Vorsatz, die für die Aufgabe beste Lösung zu wählen. Die Anbieter müssten die Anforderungen ebenfalls genau verstehen und ihre diesbezüglichen Fähigkeiten richtig einschätzen können bzw. angeben wollen, und sei es nur, eben nicht anzubieten, wenn diese nicht ausreichen.
Leider entspricht dieses Idealbild nicht der Realität, wie sie sich mir in fast allen Ausschreibungen großer Unternehmen und Behörden in Sachen Projektmanagement bietet; es wirkt fast so, als wolle man dort verhindern, dass Projekte richtig besetzt und zum Erfolg geführt werden. Zwei Beispiele:
Billig geht vor kompetent
Ein großes Unternehmen hat eine Initiative gestartet, alle seine Prozesse aufzunehmen, zu dokumentieren, zu analysieren und, wo sinnvoll, zu verbessern. Nun sucht der Einkauf einen Projektmanager/Berater, der die vorgenannten Aufgaben übernehmen soll. Die Aufgabe ist sicherlich zu umfangreich und vielschichtig, um in einer Person abgedeckt werden zu können, aber das Online-Bewerbungsverfahren sieht keine Angebotsmöglichkeit für ein qualifiziertes Team vor und hinterfragt als erstes den Tagessatz…
Die Ausschreibung darf laut Vorschrift "von oben" nur über den Einkauf und einen "Preferred Supplier" erfolgen, die in den meisten Fällen beide für das Recruiting von Führungskräften ungeeignet und überfordert sind. Oder werden bei Ihnen die Geschäftsführer und Abteilungsleiter auch auf diesem Weg eingestellt? Zielführender wär es doch sicher, nicht den Preis sondern die Skills in der Vorauswahl zu bewerten und die Personalabteilung wegen ihrer Erfahrung mit Bewerber-Assessments mit dem Recruitment zu betrauen, oder?
Aus meiner Erfahrung kenne ich zudem die Struktur der Konzern-Einkaufspreislisten recht gut – und dass diese viele anspruchsvolle Dienstleistungen für dafür wirklich qualifizierte Bewerber bei einem unattraktiven Niveau deckelt. Im Ergebnis kann also nur ein sich selbst überschätzender, aber billiger Bewerber zum Zug kommen.
Der Ausgang des Projekts ist damit vorprogrammiert: Es wird deutlich länger dauern und teurer werden als angenommen, das Ergebnis und der so zu erzielende Nutzen für das Unternehmen sind fraglich.
Falsche Prioritäten bei der Qualifikation
Noch ein repräsentatives Beispiel: Für ein technisches Großprojekt wird ein erfahrener Ingenieur (genaue Beschreibung der fachlichen Kenntnisse wird angegeben) als Projektleiter gesucht. Der Bewerber soll die auftragsgetreue Abwicklung sicherstellen, mit dem anspruchsvollen Kunden umgehen und mehrere Zulieferer sowie ein großes, über mehrere Standorte verteiltes Team aus Fachspezialisten koordinieren. Projektmanagement-Kenntnisse "sind von Vorteil"…
Projektingenieur oder Projektmanager – wird hier die technische Lösung oder der Erfolg und ROI des Projekts gesucht? Raten Sie mal, unter wessen Projektleitung Projekte öfter in Verzug und/oder Budget-Probleme geraten? Und wird sich nicht jeder Mensch im Krisenfall auf das konzentrieren, was er am besten kann?!
Technische Fachspezialisten als Projektmanager – da drohen immer Zeit- und Zielkonflikte. Und Projektmanagement nebenbei, das kann nur schiefgehen! Besser wäre es, hier eine Doppelspitze zu suchen: Einen Ingenieur für die Technik und einen Manager für die Projektplanung und konsequente Projektsteuerung. Auf Unternehmensebene gibt es dafür ja auch zwei Ressorts, die zusammenarbeiten…
Fahrlässige Entscheider
Die Beispiele zeigen vor allem, wie wenig die Verantwortlichen in den Chefetagen über Projektarbeit wissen. Deren Anforderungen an den Projektmanager-Job, aber auch an die Organisation, in der die Projekte stattfinden, und sogar an die verantwortlichen Personen im Management gehören meist nicht zum Erfahrungsschatz der Entscheider. Entsprechend dürftig fallen die Ausschreibungen aus, und entsprechend mangelhaft werden die Projekte schließlich "abgewickelt". Die Ergebnisse sind dann in der Regel auch entsprechend enttäuschend.
Wie gehen nun aber die Unternehmen und ihre verantwortlichen Manager mit diesen "suboptimalen" Projektergebnissen um, wie verhalten sie sich, wenn Projekte dann in Schieflage geraten? Das ist vor allem von der Unternehmensführungskultur und -struktur abhängig. Hier entscheidet sich, ob, wann und wie strauchelnden Projekten geholfen wird.
Mittelständler suchen Fehler oft an falscher Stelle
In mittelständischen, unternehmergeführten Betrieben schaut der Chef lange Zeit zu und unterstützt eventuell auf der fachlichen Seite mit seinem Knowhow. Probleme werden fast immer auf der technischen Seite vermutet, fast nie beim (Projekt-)Management. Also wartet der Chef meist auf den Durchbruch mit gleichbleibendem Setup oder entscheidet den Abbruch, wenn's endlich zu teuer geworden ist: eine immens kostspielige "Selbstheilung" oder Total-Abschreibung! Die dritte Alternative der Änderung des Setups und damit der wahrscheinlichen Rettung eines Deckungsbeitrages ist mangels eines Blicks nach Lösungen von außen ("die wissen ja gar nicht, wie das bei uns läuft") meist gar nicht auf dem Radar.
Es gibt aber dort auch die erfolgreichen Ausnahmen, in denen dem Chef das viele verbrannte Geld Leid tut und er sich doch beherzt den Ratschlag von externen Experten holt. Wenn er das früh genug tut, besteht meist sogar berechtigte Hoffnung auf Erfolg des Projekts und Zugewinn an Lehren für die Zukunft.
Träge Konzerne und Behörden
In größeren Unternehmen mit mehreren Hierarchie-Ebenen zwischen Geschäftsführung und Arbeitsmanagement finden wir andere Mechanismen. Das Projekt-Staffing folgt oft festgelegten Prozessen, wie oben beschrieben. Für Projektmanagement gibt es genügend Anwendung, um auch einige gut ausgebildete Hauptberufliche zu beschäftigen. Ob das Unternehmen in PM-Ausbildung und Unterstützung der Projekte durch die Organisation investiert (und damit in die Qualität und Rentabilität seiner Projektergebnisse), ist individuell eine Frage der Wertschätzung und strategischen Prioritäten der Unternehmensführung.
Geraten Projekte in diesen Unternehmen in Schieflage, ist die Reaktion abhängig von der Unternehmenskultur. In stark gegliederten Unternehmen werden Probleme oft so lange unter der Decke gehalten wie irgend möglich, derweil an einer "karriereneutralen" Exit-Strategie gearbeitet wird. Im Allgemeinen wird dann ein Schuldiger gefunden und mit den gleichen Mitteln, die in die Krise geführt haben, weiter gemacht, bis die höheren Ebenen aufmerksam werden und das Projekt stoppen.
Die Abbruchrate ist in solchen Unternehmen signifikant höher als die Zahl der Versuche, die Projekte professionell zu sanieren. Hier wird die Mehrzahl der für die schlechte Statistik verantwortlichen Projekt-Misserfolge und -abbrüche produziert, aber nicht, weil die Möglichkeiten zur Rettung nicht vorhanden wären, sondern weil Transparenz gefürchtet und Management-Aufmerksamkeit zu wenig gegeben ist.
Ähnliche Verhaltensmuster finden sich in fast allen Projekten der Öffentlichen Hand. Bei der Ausschreibung wird größter Wert auf die Einhaltung der Vorschriften (VOB, HOAI usw.) gelegt, Projektmanagement wird oft als Teil der Gewerke mit vergeben, Kontrolle findet von Seiten des Auftraggebers mangels eigener Kompetenz nicht statt. Wozu auch? Laut Aussage eines bekannten Berliner Politikers sind ja Überschreitungen der Planungen von 30% "völlig normal"! Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, die sich auch immer wieder noch toppen lässt…
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Hoffnung besteht hauptsächlich bei den Mittelständlern und Großunternehmen, deren "flache" Hierarchie eine Übersicht über und ein Engagement des Managements für seine Projektaktivitäten zulässt, und in denen ein Grundverständnis für die Bedeutung und die Anforderungen von Projekten für das Unternehmen zu finden ist. In einigen Fällen habe ich auch schon zu einer strategischen Ausrichtung der Organisation selbst auf eine effektivere und effiziente Unterstützung von Initiativen und Projekten verhelfen dürfen. In jedem Fall werden hier Projektmanager durch Sponsoren aus dem Executive-Level ein- und Projekte zusammen mit den Fachabteilungen aufgesetzt.
Durch die höhere Aufmerksamkeit und Übernahme von Verantwortung des Managements für ihre Projekte (=Investitionen) werden Probleme schneller erkannt. Nun liegt es nur noch an der Fähigkeit, die eigenen Möglichkeiten zur Sanierung richtig einzuschätzen, und am Willen, bei internen Lücken, Kapazitäts-Spitzen oder verfahrenen Positionen auf externe Expertise zurückzugreifen, um frühzeitig (dann noch) günstige Optionen zur Rettung von Time-to-Market und ROI wahrzunehmen.
Solange das aber eher am Eingeständnis des Kontroll- und Gesichtsverlusts scheitert als am Business Case einer Sanierung, solange werden wohl auch weiterhin viele erfolgversprechende Investitionen und Projekte unnötig, aber erfolgreich verhindert werden…
Thomas Wuttke
21.09.2014
René Windus
24.09.2014
Henning Zeumer
24.09.2014