Festgefahrene Diskussionen wieder in Gang bringen Perspektivenwechsel statt Gesprächsmikado
Festgefahrene Diskussionen wieder in Gang bringen Perspektivenwechsel statt Gesprächsmikado
Neulich im Projekt: Es war klar, dass das Statusmeeting kein Zuckerschlecken werden würde, denn wichtige Teilergebnisse standen aus, andere hatten die internen Tests nicht bestanden und der geplante Rollout-Termin war nicht zu halten. Kurzum, es herrschte "dicke Luft".
"Ich finde es unglaublich, dass sie jetzt auf einmal mit dieser Zeitverzögerung um die Ecke kommen", sagte der Auftraggeber Herr Angerer zum Projektleiter Paulsen. "Wochenlang sagen Sie, alles sei bestens und nun muss der Rollout-Termin verschoben werden? Gerade gestern habe ich noch dem Vorstand gegenüber kommuniziert, dass alles hier im Projekt reibungslos läuft!"
"Herr Angerer, das Projektteam hat wirklich getan, was es konnte. Der Zeitrahmen war ja sowieso schon ambitioniert genug und dann kamen die sich ständig ändernden Anforderungen hinzu", versuchte sich der Projektleiter zu verteidigen, während die Zornesröte im Gesicht seines Auftraggebers nicht mehr zu übersehen war.
"Wollen Sie etwa damit andeuten, dass ich jetzt am Ende auch noch an der Verzögerung selbst schuld bin?", entgegnete Herr Angerer zornig. "Sie haben doch selbst jedes Mal gesagt, dass sie den entsprechenden Änderungswunsch schon irgendwie hinbekommen! Ich habe Sie für kompetent genug gehalten, dieses anspruchsvolle Projekt zu managen und frage mich jetzt, ob ich mich da getäuscht habe."
Gesprächsmikado stoppen
Wenn im Projektalltag Menschen mit verschiedenen Sichtweisen an einem Tisch sitzen, geraten viele Gesprächssituationen schnell ins Stocken: Der Auftraggeber beharrt auf seinem Standpunkt, die Mitarbeiterin lässt sich für die neue Aufgabe partout nicht begeistern, der Kunde besteht auf seinem Recht. Jeder versucht aus seiner Position heraus, den anderen zu überzeugen; die Argumente bleiben jedoch die gleichen und das Ergebnis ist am Ende unbefriedigend. Im schlimmsten Fall kann das jeweilige Beharren auf dem eigenen Standpunkt einem Mikadospiel ähneln: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren.
Mentale Bewegung ist jedoch genau das, was in einer solchen Situation notwendig wäre. Wenn Sie sich demnächst in einer festgefahrenen Gesprächssituation befinden, wechseln Sie doch einmal radikal den Blickwinkel, um wieder Bewegung in die Kommunikation zu bringen – anstatt sich immer tiefer in die eigene Argumentation hineinzubohren. Denn in jeder Kommunikation gibt es neben der eigenen Perspektive noch zwei weitere Perspektiven, die unabhängig vom eigentlichen Gesprächsthema eingenommen werden können: die Perspektive des Gesprächspartners und eine neutrale Gesprächsperspektive.
Die Perspektive des Gesprächspartners
Auf den ersten Blick erscheint die Vorstellung, sich in die Gedankenwelt des Gesprächspartners hineinzuversetzen, vielleicht als wenig erstrebenswert. Den eigenen Standpunkt jedoch gelegentlich zu verlassen, um die Welt aus den Augen seines Gegenübers zu betrachten, wird oft im Kampf der Argumente nicht nur vergessen, sondern ist auch überaus lohnend. Selbstverständlich kann man nicht wissen, sondern nur erahnen, was der Gesprächspartner denkt und fühlt, warum er so argumentiert, wie er es tut. Trotzdem kann dieser mentale Positionswechsel – bewusst eingesetzt – zu einem besseren Verständnis für die Argumente des Gesprächspartners führen und neue Blickwinkel eröffnen.
Die neutrale Gesprächsperspektive
Eine andere Perspektive, die Sie in festgefahrenen Gesprächssituationen einnehmen können, ist die Position des neutralen Beobachters. Wie würde ein neutraler Beobachter mit Abstand zum Geschehen das Gespräch beurteilen? Wie wäre seine Meinung aus der Perspektive eines Ballonfahrers oder gar als Astronaut? Welche wertvollen Hinweise würde er Ihnen und welche Ihrem Gesprächspartner geben? Die Bewertung eines Gesprächs aus dieser neutralen Position heraus, relativiert oft vieles, was vorher als unumstößliches Argument im Raum stand.
Von der Theorie zur Praxis
Die Perspektive seines Gegenübers oder die eines neutralen Beobachters einzunehmen, ist für viele Menschen weitaus schwieriger und erfordert ein bisschen Übung. Übertragen wir die zwei eben genannten Gesprächsperspektiven auf unser Beispiel:
In die Perspektive des Auftraggebers wechseln
Wenn der Projektleiter es schafft, in dem Gespräch die eigene Rechtfertigungshaltung zu verlassen ("…schuld waren doch Ihre ständigen Änderungswünsche…") und die aktuelle Situation aus der Perspektive des Auftraggebers zu verstehen, erhält er die Chance, seine Kommunikation so anzupassen, dass er den Gesprächspartner in seiner persönlichen Sichtweise "abholt" und den Kommunikationskonflikt entschärft. Eine mögliche Variante des anfangs skizzierten Gesprächs könnte wie folgt aussehen:
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