Überschätzte Wirkung Warum eine PM-Zertifizierung nur die halbe Miete ist
Lohnt sich eine Projektmanagement-Zertifizierung? Viele Vorstände und Geschäftsführer würden diese Frage bejahen. Denn durch eine Zertifizierung ihrer Projektmanager erhoffen sie sich ein besseres Projektmanagement im Unternehmen. Das ist jedoch ein Trugschluss, meint Klaus D. Tumuscheit. In seinem Beitrag begründet er, warum ein Zertifikat allein keine Verbesserung bringt, solange die aus seiner Sicht wesentlichen Bremsen im Unternehmen noch nicht gelöst sind.
Überschätzte Wirkung Warum eine PM-Zertifizierung nur die halbe Miete ist
Lohnt sich eine Projektmanagement-Zertifizierung? Viele Vorstände und Geschäftsführer würden diese Frage bejahen. Denn durch eine Zertifizierung ihrer Projektmanager erhoffen sie sich ein besseres Projektmanagement im Unternehmen. Das ist jedoch ein Trugschluss, meint Klaus D. Tumuscheit. In seinem Beitrag begründet er, warum ein Zertifikat allein keine Verbesserung bringt, solange die aus seiner Sicht wesentlichen Bremsen im Unternehmen noch nicht gelöst sind.
Lohnt sich eine Projektmanagement-Zertifizierung? Diese Frage stellen sich häufig Vorstände und Geschäftsführer, aber auch Abteilungs- und Projektleiter. Die Hoffnung ist, dass mit der Zertifizierung von Projektmanagern die Qualität des Projektmanagements im Unternehmen zwangsläufig steigt. Um hier Klarheit zu schaffen, betrachten wir doch einmal die zwei Seiten dieser Gleichung.
Die am Markt angebotenen Zertifizierungen kosten bis zu 6.000 Euro reine Kursgebühren. Das sind jedoch die geringsten Kosten – wesentlich kostspieliger für das entsendende Unternehmen sind die rund zehn Abwesenheitstage sowie weitere zehn Tage für die Prüfungsvorbereitung und das ggf. notwendige Vorzeige-Projekt der Absolventen. Auch wenn dies nur grob geschätzt ist: Der Aufwand ist enorm.
Die Investition würde sich nach qualitativen Maßstäben bereits dann lohnen, wenn mit einem zertifizierten Projektleiter die Projekte besser laufen würden. Tun sie das? Auf den ersten Blick: Ja. Dennoch gibt es viele Geschäftsführer und Vorstände, die das bestreiten. Der Tenor ihrer Klage lautet: "Jetzt haben wir eine Menge Geld in die Zertifizierung investiert, trotzdem laufen die Projekte nicht wesentlich besser!" Die Zertifizierung der Projektmanager allein bringt es also nicht. Das kann sie auch nicht. Denn die Zertifizierung löst keine der drei Bremsen des Projektmanagements.
Die erste Bremse – ungeklärte Ressourcenkonflikte
Neulich initiierte ein Unternehmen wegen einer Umstrukturierung drei Dutzend strategischer Projekte. Ein Abteilungsleiter fragte daraufhin den Vorstand halb ernsthaft, halb im Scherz: "Diese Projekte kosten mich circa 15% meiner Personalkapazität. Darf ich deshalb 15% von meinen Abteilungszielen abziehen?" Der Vorstand meinte, dass es wohl selbstverständlich sei, die Leistungsziele für die Abteilung mit 15% weniger Personalkapazität zu erreichen und parallel die notwendigen Projekte zu stemmen.
Danach wusste der Abteilungsleiter, was zu tun war: Er stellte seine verlangten 15% an Personal ab und erklärte den neu ernannten Projektmitgliedern, dass sie ihre Leistungsziele trotzdem erreichen müssten: "Sonst habt Ihr ein Problem!" Folgerichtig leisteten seine Mitarbeiter in den Projekten Dienst nach Vorschrift, versäumten jedes zweite Teammeeting und vernachlässigten ihre Arbeitspakete. Der Projektlaie mag diese Reaktion für haarsträubend halten, der Praktiker kennt es nicht anders. Und sie ist überdies absolut rational. "Strategische Anpassung" oder "Taktisches Handeln" nennen das die Organisationspsychologen. Das Unmögliche bleibt unmöglich. Daran kann auch ein Vorstandsbeschluss nichts ändern.
Den Clou ahnen Sie bereits: Die Projektleiter in diesem Unternehmen waren zertifiziert. Und? Was hat es ihnen genutzt? Konnte ihr Zertifikat strategische Anpassung oder taktisches Verhalten verhindern? Nein. Solange die Ressourcenkonflikte zwischen Projekt und Linie nicht von oben geklärt werden, das heißt, der Einsatz der vorhandenen Ressourcen "von oben herab" priorisiert wird, solange kann sich selbst ein hoch motivierter Projektleiter eigentlich nur taktisch anpassen. Entscheidend ist, dass das Top-Management die Kapazitätsbremse im Projektmanagement löst. Andernfalls geben Unternehmen tausende Euro für ein Heftpflaster aus.
Die zweite Bremse – mauernde Abteilungsfürsten
Ein Projektleiter hat bekanntermaßen keine Entscheidungsbefugnisse und ist daher auf das Wohlwollen der Führungskräfte in der Linie angewiesen. Was nützt dem Projektleiter selbst das renommierteste Zertifikat, wenn sein Auftraggeber die Linie nicht ins Boot holt? Gegen einen querschießenden Abteilungsfürsten kann er wenig ausrichten. Vor allem, da einige Zertifizierungslehrgänge nicht ausreichend vermitteln, was für die Führung von unten nötig ist und wie ein Projektleiter zentrale Fragen beantworten soll, wie z.B.: Wie nehme ich meinen Auftraggeber in die Pflicht? Welche persönlichen Fähigkeiten fehlen mir noch, um bei meinem Auftraggeber wirksam (mehr) Engagement einzufordern? Wie erhalte ich die Zustimmung der Linie? Und wie sichere ich die dauerhafte Unterstützung durch die Abteilungsleiter? Wie gehe ich als Weisungsempfänger und als Ausübender mit Macht um? Was sind die besten Strategien für Guerilla-Management ("So führen Sie Ihr Top-Management. Guerilla-Taktik für Projektleiter", Projekt Magazin 5/2009)?
Führungskompetenz gezielt stärken
Mit Interesse beobachte ich, dass die Führungskompetenz in Zertifizierungslehrgängen oft nicht besonders transferwirksam vermittelt wird. Natürlich wird im Lehrgang über Teamführung geredet. Geredet. Dabei lernt keiner führen, auch wenn der Redner noch so genial ist. Auch das Rollenspiel ist dafür eine zu schwache didaktische Technik. Supervision, Action Learning und vor allem Coaching sind Methoden, die sehr viel schneller zu einer sehr viel besseren Führungskompetenz führen. Weil ihr Lerntransfer höher ist. Das Erstaunliche daran ist: In den Unternehmen wird das Königsinstrument Coaching mittlerweile eingesetzt. Warum wird es bei der Zertifizierung von Projektmanagern "vergessen"? Das ist ein logischer Fehler, den die Didaktiker und Methodologen in der Personalentwicklung und bei Zertifizierern beseitigen sollten.
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EMG
21.04.2010
M. Klein
21.04.2010
Eberhard Will, projektpartner management gmbh
21.04.2010
Kai Sch
21.04.2010
Uwe Kleist, Unternehmensberater
27.04.2010
Anke Röber
10.10.2012
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