Offene Standards – Zukunft des Projektmanagements?

Alle Projektmanagement-Standards sollten kostenfrei jedem zur Verfügung stehen – dies ist die Auffassung von Dr. Stefan Hagen. Im Rahmen des ersten PM-Camps vom 4. bis 5. November 2011, das sich mit den aktuellen Trends im Projektmanagement auseinandersetzte, erläutert Hagen im Gespräch mit Petra Berleb, wie er sich ein zukunftsfähiges Projektmanagement vorstellt.

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Offene Standards – Zukunft des Projektmanagements?

Alle Projektmanagement-Standards sollten kostenfrei jedem zur Verfügung stehen – dies ist die Auffassung von Dr. Stefan Hagen. Im Rahmen des ersten PM-Camps vom 4. bis 5. November 2011, das sich mit den aktuellen Trends im Projektmanagement auseinandersetzte, erläutert Hagen im Gespräch mit Petra Berleb, wie er sich ein zukunftsfähiges Projektmanagement vorstellt.

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Vom 4. bis 5. November 2011 fand in Dornbirn das erste PM-Camp statt, eine Mischung aus Konferenz und Barcamp, das sich mit den aktuellen Trends im Projektmanagement befasste. (Anm. d. Red.: Ein Barcamp ist eine Tagung mit dem Ziel des fachlichen Austauschs, deren Teilnehmer erst zu Beginn der Tagung den Ablauf festlegen und im Tagungsverlauf in offenen Workshops die Inhalte entwickeln.)

Die 71 Teilnehmer der Veranstaltung setzten sich aus namhaften Bloggern der deutschsprachigen PM-Community und jungen wie auch erfahreneren Projektmanagern aus verschiedenen Branchen und Disziplinen zusammen. (Über die Veranstaltung berichten wir im Editorial des PM-Newsletters zur Ausgabe 22/2011.)

Petra Berleb: Stefan, was motivierte Dich bzw. das Organisationsteam, das PM-Camp zu veranstalten?

Stefan Hagen: Wir, als Organisationsteam, wollten mit dem PM-Camp einen neuen, aus unserer Sicht zeitgemäßen Rahmen bieten, um relevante Entwicklungen und Trends im Projektmanagement zu diskutieren. 2009 entstand die Grundidee, ein Barcamp zum Thema "Projektmanagement" durchzuführen. Herausgekommen ist eine Mischung aus klassischen Vorträgen und offenen Sessions, d.h. der Diskussion von Teilnehmerthemen im sog. "Open Space".

Dr. Stefan Hagen

Dr. Stefan Hagen ist seit 2001 als selbständiger Unternehmensberater und Projektmanager tätig. Seine Schwerpunktthemen sind Projektmanagement, Organisationsentwicklung und Strategie. Zu seinen Kunden zählen große und mittlere Unternehmen im In- und Ausland sowie diverse öffentliche Körperschaften. Seit 2004 ist er als externer Dozent für das Studienfach "Projektmanagement" an der Fachhochschule Vorarlberg tätig. Er betreibt den im deutschsprachigen Raum bekannten PM-Blog pm-blog.com.

Wir wollten, dass sich die Teilnehmer zu folgender übergeordneten Frage austauschen: Wie muss Projektmanagement heute und in Zukunft gestaltet werden, damit es funktioniert? So sehen wir ja z.B., dass agile Prinzipien bereits in den klassischen Projekten erfolgreich eingesetzt werden, ohne dass man diese Prinzipien als "agil" bezeichnet. Es geht aus meiner Sicht auch grundsätzlich nicht darum, welchen Namen ein Vorgehen oder eine Methode trägt, die man einsetzt. Letztlich zählt nur das positive Ergebnis. Am Ende des Tages zeigt sich dann, ob man seine Arbeit richtig oder falsch gemacht hat.

"Klassische und agile Projektmanager sollten mehr voneinander lernen wollen."

Petra Berleb: In welche Richtung wird sich Projektmanagement Deiner Ansicht nach in den nächsten Jahren entwickeln?

Stefan Hagen: Also, in welche Richtung es genau gehen wird, weiß ich natürlich nicht. Ich kann Dir aber sagen, was ich mir wünschen würde: Dass die verschiedenen Experten, die es in den vielen Anwendungsbereichen des Projektmanagements gibt, mehr voneinander lernen können – und wollen; unabhängig, ob sie aus der klassischen oder der agilen Richtung kommen, aus großen oder kleinen Projekten oder auch aus unterschiedlichen Branchen.

Je stärker wir uns in verschiedenen PM-Communities gegeneinander abschotten, desto größer ist die Gefahr, dass wir keine innovativen Problemlösungen hervorbringen, sondern nur "auf der Stelle treten". Je häufiger wir über unseren eigenen "Tellerrand" blicken, in andere Branchen oder auch Disziplinen, wie z.B. von der Produkt- auf die Softwareentwicklung, umso mehr können wir erkennen, was vielleicht auch in unseren Projekten funktionieren kann. Hierfür den Rahmen zu geben und diesen Austausch zu fördern, sehe ich ein Stück weit als Aufgabe des PM-Camps an.

"Wenn Verbände ihr Wissen kostenfrei zur Verfügung stellen, können sich die Standards schneller etablieren."

Offene Standards – Zukunft des Projektmanagements?


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Alle Kommentare (15)

Profile picture for user georg_angermeier@ask-asc.de
Georg
Angermeier
Dr.

Nett, sehr nett.
Zunächst scheint mir, Herrn Hagen ist da ein großes Missverständnis unterlaufen:
Wo immer man Mitglied ist: Einen Beitrag zahlt man, um die Basis für das eigene Engagement in einer Community mitzufinanzieren. Die einzig berechtigte Begründung für einen Austritt ist daher: "Ich konnte/wollte mich dort nicht mehr engagieren." Das ist völlig legitim, denn Engagement in einem großen Verband, bei dem man als einfaches Mitglied eintritt, ist sehr, sehr mühsam. Der Grund "Ich konnte keinen Nutzen daraus ziehen" beruht hingegen auf einer falschen Erwartungshaltung.
Wem alle bestehenden Verbände nicht gefallen, der kann man natürlich seinen eigenen gründen. Dafür benötigt man ein Alleinstellungsmerkmal, wie z.B.: "Wir stellen unsere Arbeitsergebnisse frei verfügbar ins Internet." Die erste Frage ist, ob ein weiterer Standard die zu Recht kritisierte Eigenbrödelei zu überwinden hilft. Die zweite Frage ist, ob sich damit Kosten für Qualitätssicherung, Übersetzung (ein deutscher Open-PM-Standard wäre ein Witz!), Serverbetrieb usw. finanzieren lassen. Also braucht es Spenden oder Mitgliedsbeiträge. Wikipedia z.B. wäre ohne massives Spendenaufkommen nicht mehr am Leben.
Ich nehme mal an, Herrn Hagen und dem Kern-Team von "#openpm" schwebt ein PM-Wiki auf Spendenbasis vor. Ein netter, sympathischer Ansatz. Allerdings möchte ich auf eine in diesem Zusammenhang besonders wichtige Tatsache hinweisen: Die Verbreitung von Richtlinien hängt mit der Anerkennung und Verbreitung der Zertifizierungen zusammen. Ein "Open-PM"-Standard (was übrigens bereits ein Widerspruch in sich selbst darstellt, denn ein Standard darf nicht jeden Tag willkürlich editiert und verändert werden) wird nur dann relevant werden können, wenn er eine international verbreitete und anerkannte Zertifizierung hervorbringt.
Alles andere ist privates Hobby. Nett als Stoff für die Medien, um darüber zu berichten. Nett für die professionelle Community, um sich darüber, je nach Charakter. zu echauffieren oder zu amüsieren. Aber irrelevant für die Praxis.
Und kurz recherchiert: Der PMBOK Guide kostet bei Amazon 36,95 Euro, das PRINCE2-Handbuch 79,95 Euro. Mir erscheint dies für Business-Bücher als erschwinglich. Wer dies nicht zahlen kann, hat zunächst einmal andere Probleme zu bewältigen als sich mit PM-Standards zu beschäftigen.
Zudem: Das Geschäftsmodell der Verbände läuft nicht primär über den Verkauf der Standards und Informationen, sondern über Mitgliedsbeiträge. Die kommerziellen Anteile (Buchhandel, Zertifizierung) sind in der Regel ausgegliedert, da ansonsten die Gemeinnützigkeit verloren gehen würde.

 

Eberhard
Huber
Dr.

Ich stimme den Aussagen von Stefan insbsondere bzgl. Offenheit von PM-Knowhow in großen Teilen zu. Projektarbeit wurde nicht in den letzten 100 Jahren erfunden. Das Wissen wie komplexe, einmalige Vorhaben zu bewältigen sind betrachte ich als Kulturgut. Teilweise werden in Veröffentlichungen zu PM oder Führung Schriften, die 2000 Jahre alt sind zitiert ;-) Die verschiedenen Verbände haben durch die Aufbereitung und Bündelung eines Teil dieses Wissens eine wichtige Aufgabe geleistet. Die Rückkopplung in die außerverbandliche Aus- und Weiterbildung würde ich mir jedoch offener wünschen. Ich sehe hier einen gewissen Zusammenhang mit dem aus anderen Bereichen bekannten Umbruch der Urheberrechte und Verwertungsrechte. Das Interesse die Verwertungsrechte zu schützen ist nachvollziehbar und verständlich. Andererseits sehe ich es als problematisch an wenn wirtschaftsstarke Organisationen "offene Inhalte" aufbereiten um sie dann exklusiv verwerten zu können. Deshalb möchte ich an dieser Stelle ein Lob für die GPM aussprechen, die Studien, die in Zusammenarbeit mit Universitäten entstanden sind frei zum Download anbietet. Davon brauchen wir mehr!

 

Eberhard
Huber
Dr.

Hallo Herr Angermaier, auch als Befürworter der openpm-Idee gebe ich Ihnen vollständig recht, dass der Begriff des "Standard" in diesem Zusammenhang falsch ist. Dementsprechend geht es auch nicht um Durchsetzung von Richtlinien. Ihre Einschätzung es als Hobby zu sehen würde ich ebenfalls teilen. Manch einer mag sich darüber ärgern oder sich amüsieren - das gehört dazu. Ob es wirklich irrelevant für die Praxis ist kann m.E. aber nur die Zeit zeigen. An dieser Stelle bin ich (noch) etwas optimistischer. viele Grüße, Eberhard Huber

 

Reinhard
Wagner

Seltsam, hier wird für offenen Zugang zu Wissen im Projektmanagement plädiert und das erste was ich tun muss, um den Artikel zu lesen, ist ein Abonnement einzugehen. Ist das nicht ein Widerspruch? Es gibt übrigens mit GAPPS übrigens schon lange eine Initiative, die offene PM-Standards entwickelt, eine Wirkung hat dies bislang nicht gehabt. Warum? Weil Anwender eine Erwartung an die Qualität der Standards haben, diese können beispielsweise Vertragsbestandteil sein, oder die Zusammenarbeit zwischen Partnern regeln, und da verlassen sich die Unternehmen eben auf die bewährten Verfahren und die Qualität von DIN/EN/ISO. Übrigens werben wir immer schon für eine Mitwirkung in den DIN-Gremien, zumeist ziehen sich die Leute dann aber aus Zeitgründen zurück. An Standards zu arbeiten erfordert also auch eine Menge Geduld. Bin mal gespannt, was wirklich passiert in der openPM Gemeinde!

 

Wolfgang
Merten
Dipl.-Ing.

Agilität und traditionelles PM ein Widerspruch? Herr Dr. Hagen stellt selbst fest:"So sehen wir ja z.B., dass agile Prinzipien bereits in den klassischen Projekten erfolgreich eingesetzt werden...". Dies bedeutet aus meiner Sicht, dass die Projektmanager zunehmend kreativ und situativ diejenigen Methoden anwenden, die am erfolgversprechendsten zum Projektziel führen. Da jedes Projekt einzigartig ist, kann auch ein neuer "offener" Standard fehlende Erfahrung und Grundlagenwissen der Projektleiter nicht ersetzen. Ein Standard des PM wird auch nicht die jeweils bestehende Unternehmensumgebung der Projektrealisierung verändern. Und Kunden halten sich mit Ihren Vorstellungen und Änderungsbegehren schon überhaupt nicht an Standards. Was bleibt also als neue Erkenntnis übrig? Ich bin davon überzeugt, dass in den bestehenden Verbänden durchaus die Gelegenheiten gegeben sind, einen aktiven Gedankenaustausch auch über die Anwendung von Methoden und Vorgehensweisen zu führen, die mehr Agilität beinhalten. Dies ergibt sich meiner Erfahrung nach bereits aus den Anforderungen an die Projekte bezügl. der bewilligten Realisierungszeit und den zu Projektbeginn eben noch nicht genau definierten Detailzielen. Es ist ja gerade ein Merkmal von Projekten, dass diese durch Menschen realisiert werden. Somit ist die Lenkung der Teams wohl eine der wesentlichsten Aufgaben des Projektmanagers. Dies ist nun wirklich nicht neu. Wenn in der Praxis dies leider sehr häufig vernachlässigt wird, hilft hier wohl auch kein neuer Standard. Wir sollten den Erfahrungsaustausch weiter verstärken, auch und gerade in den Verbänden. Grundlagenwissen zum Projektmanagement sollte aber vorher selbst angeeignet sein. Und Lehrbücher kann man sich auch in der Bibliothek ausleiehen.

 

Norbert
Bongartz

Ich bin ebenfalls vor 1 Jahr aus PMI ausgeschieden, weil auch ich keinen Nutzen mehr in meiner PMI Mitgliedschaft gesehen habe. Auch das periodisch erscheinende PMI Journal, das ein besseres Werbeblatt ist und auch die Chapter Meetings, ebenfalls mehr oder weniger Werbeveranstaltungen der Unternehmensberatungen, ergeben für mich keinen Mehrwert. Natürlich hat der Artikelschreiber weiter oben recht, wenn er sagt, die Mitgliedschaft in einem Verband lebt vom Mitmachen und nicht vom Konsumieren, aber ich als Projektmanager bin in erster Linie in meinem Job tätig und habe keine Zeit für Studien oder Forschungen, insofern war der Verband für mich ein Forum, um zu lernen, um mich weiterzubilden und vor Allem, um die Zertifizierung zu machen, um meine Qualifikation nachweisen zu können. Alles Andere ist für mich uninteressant. Die Weiterentwicklung der Standards zu finanzieren könnte ein Grund sein, um Mitgliedsbeiträge zu zahlen, allerdings finde ich, dass die Standards schon so was von aufgebläht sind, dass man mittlerweile dicke Wälzer lesen muss, um ein paar Details für die praktische Arbeit rauszufiltern - das kann nicht der richtige Weg sein. Meiner Meinung nach klaffen die Standards (die "reine" Projektmanagementlehre) und das, was in den Firmen davon umgesetzt wird, mittlerweile meilenweit auseinander. Ich meine damit nicht, wie die Firmen sich theoretisch mit dem Thema PM beschäftigen, sondern wie es in der Praxis gelebt wird. Das wäre mal eine Aufgabe - nicht die Standards noch weiter entwickeln, sondern sich mehr damit zu beschäftigen, wie man das Projektmanagement in den Firmen weiter etablieren kann, so dass die endlich mal auf dem Stand der Standards sind.

 

Stefan
Hagen
Dr.

Hallo zusammen, zuerst freue ich mich über die rege Diskussion. Gleichzeitig befürchte ich, dass wir zwei unterschiedliche Aspekte miteinander vermischen. 1) Mein Wunsch, dass die großen PM Verbände offener mit ihrem Wissen und ihren Standards umgehen, steht NICHT unmittelbar in Verbindung mit der Open-PM-Initiative von Marcus Raitner. Es geht nämlich nicht um entweder-oder, sondern um sowohl-als-auch. Wenn der Eindruck entstanden ist, dass Open-PM der Ersatz für die etablierten Standard sein soll, so handelt es sich um ein Missverständnis. Dies ist nämlich nicht meine Ansicht. 2) Ich unterstütze natürlich die Open-PM-Initiative, da ich mich mit der definierten Mission voll und ganz identifizieren kann. Gleichzeitig sehe ich durchaus auch eine große Herausforderung in der Qualitätssicherung. Es war durchaus zu erwarten, dass dieses Thema dazu führen würde, dass sich unterschiedliche Meinungen und Personen etwas aneinander "reiben". Gleichzeitig hoffe ich aber, dass dies der Weiterentwicklung dienlich sein wird. Denn es geht nicht um Einzelinteressen, Organisationsinteressen oder persönliche Eitelkeiten, sondern um neue Wege und gelebte Prinzipien, die wir im Projektumfeld meines Erachtens unbedingt brauchen. Noch ein kleiner Nachtrag zu 1): Es ist der GPM durchaus hoch anzurechnen, dass sie wertvolle Informationen und Studien frei im Internet zur Verfügung stellt. Dies ist mir natürlich nicht entgangen. Ich denke, diese Strategie sollte im Sinne der gesamten deutschsprachigen Wirtschaft weiter verfolgt und weiter entwickelt werden.

 

Stefan
Hagen
Dr.

@G. Angermeier: Wenn Sie in ihrem Kommentar gleich 5x das Wort "nett" verwenden, so beschleicht mich das Bauchgefühl, dass Sie etwas "von oben herab" kommunizieren. Sorry. Sie haben vollkommen recht, ich konnte und wollte mich bei PMI nicht mehr engagieren. So war's gemeint. Warum? Weil mir die gelebte PMI-Kultur nicht gefällt. Das beginnt beim Umgang mit den Standards, geht weiter über das Format der Kongresse und endet bei den Inhalten und der Abwicklung der Zertifizierungsprogramme. Genau deshalb habe ich nach 12 Jahren die Mitgliedschaft nicht mehr verlängert. Wichtig ist mir zu betonen, dass ich die GPM nicht spezifisch kritisiert habe, denn ich kenne die GPM nicht "von innen" (dies wird sich aber eventuell bald ändern). Zu Open-PM: Hier ist offensichtlich auch ein etwas verzerrtes Bild entstanden. Ich glaube zu wissen, dass hinter Open-PM keine naive Spaß-Truppe mit Selbstverwirklichungsbedürfnis steht. Denn dieser Eindruck könnte anlässlich der verwendeten Begriffe (nett, sympathisch, Hobby, irrelevant für die Praxis...) durchaus entstehen. Sehr wohl aber teile ich Ihre Ansicht, dass es nicht trivial sein wird, aus Open-PM etwas Praxisrelevantes und Nachhaltiges zu machen. Einen Versuch ist es aber allemal wert. Noch zum Schluss: In meiner Bibliothek stehen alle relevanten PM Standards der verschiedenen Verbände. Dies zeigt, dass es mir dabei niemals um die paar hundert Euro ging, die man dafür investiert. Mir geht es um die gesamthafte Weiterentwicklung der Profession und der Disziplin. Und hier sehe ich größere Chancen, wenn Themen, Inhalte und auch Standards mittelfristig in offeneren Strukturen entwickelt werden. Ich würde mir wünschen, dass wir die Diskussion sachlich und nüchtern führen. Denn was wir sicher nicht brauchen sind neue Fronten in der "PM Community". Vielmehr sollten wir ein gemeinsames Interesse daran haben, das, was in der Praxis funktioniert, in die Breite zu bringen.

 

Stefan
Hagen
Dr.

@R. Wagner: Die Tatsache, dass der Artikel kostenpflichtig ist, ist dem Geschäftsmodell des Projektmagazins geschuldet. Hier ist es meines Erachtens aber wichtig, gut zu differenzieren: a) Projektmagazin = Unternehmen = gewinnorientiert b) PM Verband = Interessensgemeinschaft = gemeinschaftsorientiert Natürlich wäre es in diesem speziellen Fall besser gewesen, wenn dieser Artikel frei verfügbar gewesen wäre. Vielleicht wird er ja angesichts der Diskussion noch frei geschaltet? :-)

 

Profile picture for user thomas@mathoi.at
Thomas
Mathoi
Dr.

Ich finde es spannend, wie aus einem Interview, in dem in keinem Satz die Rede von #openPM ist, eine solch rege Diskussion dazu entstehen kann! #openPM, das ich auch aktiv unterstütze, finde ich eine großartige Idee. Das hat drei Gründe: das offene Credo mit freiem Wissenszugang, das verbindende Element (wir sehen uns nicht als Gegenbewegung zu etablierten Verbänden, Institutionen, etc.) und der interdisziplinäre Ansatz. Es ist auch nicht angedacht #openPM als einen weiteren Standard zu etablieren, das würde ja gegen unser selbstgesetztes verbindendes, unabhängiges Grundprinzip verstossen. Vielmehr sehen wir #openPM als eine Wissensplattform für die Praxis. Die damit verbundenen Herausforderungen in Sachen Qualitätssicherung der Beiträge und des auf dieser Plattform publizierten Wissens sind uns bewusst und werden auch ernst genommen. Das wichtigste dabei ist jedoch, dass das Wissen auf #openPM aus der Praxis für die Praxis generiert wird und somit nicht unbedingt einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erfüllen muss. Vielmehr geht es darum, der Vielfalt der Möglichkeiten und Lösungsansätze zu unterschiedlichen Problemstellungen in der alltäglichen PM-Praxis eine frei zugängliche Plattform zu geben. Von einem neuen Zertifizierungssystem und/oder einem neuen PM-Standard kann also gar nicht die Rede sein.

 

Profile picture for user georg_angermeier@ask-asc.de
Georg
Angermeier
Dr.

@Stefan Hagen: Nein, Herr Hagen, von "oben herab" sollte das keinesfalls sein. Mit "nett" meinte ich eher, dass ich diese Überlegungen sehr sympathisch finde, aber in Kenntnis der bestehenden Strukturen für wenig effizient. Ihre ergänzenden Ausführungen im Kommentar finde ich sehr hilfreich, im Interview werden diese Aspekte leider nicht so deutlich. Ratlos lassen mich dennoch diese seltsamen Diskussionen über "Bezahlen" und "kostenfrei". Kostenpflichtige Apps für's Iphone sind cool, Wikipedia lebt von Spenden, Facebook von Nutzerdaten, aber hochqualifizierte Fachredakteure sollen kostenfrei arbeiten? Okay, vergessen wir die Flegeleien übers Projekt Magazin von diversen Twitterern, Sie haben in diesem Zusammenhang ja auch engagiert für das Projekt Magazin Partei ergriffen. In Ihrem Kommentar schreiben Sie "gesamthaft" und "in offenen Strukuren". Was verstehen Sie konkret darunter? Wer immer an Standards mitarbeiten will wird in den entsprechenden Gremien offene Türen einrennen. Und übrigens: die größte bestehende aktive Knowledge-Community des Projektmanagements ist hier das Projekt Magazin: So viele verschiedene Autoren und Autorinnen aus allen Bereichen des Projektmanagements werden Sie an keinem anderen Ort versammelt finden. Meine These: Das ist nur deshalb der Fall weil das Projekt Magazin eben nicht eine werbefinanzierte Selbstdarstellungsplattform ist und eben deswegen weit attraktiver für Experten und Expertinnen ist. Kurz und gut: Ich verstehe einfach nicht, worauf Sie hinauswollen, was Sie konkret bezwecken wollen. Es würde mir sehr helfen, wenn Sie ganz einfach mal konkret formulierten, was Sie umsetzen wollen. Was immer es sei: Ich wünsche Ihnen damit Erfolg! Denn vielleicht erschließen Sie ja eine Zielgruppe für das Projektmanagement, die mit den herkömmlichen Ansätzen nichts anzufangen weiß.

 

Stefan
Hagen
Dr.

@G. Angermeier: Vielen Dank für die prompte Antwort.

Bezahlen/Kostenfrei: Klar sind Menschen bereit, sich zu engagieren und einzubringen. Ob es dann "hochqualifizierte Fachredakteure" sein werden, wie Sie schreiben, werden wir sehen.

Offene Strukturen: Auch hier gilt es wieder zu differenzieren. Sprechen wir von Verbänden oder von Initiativen wie Open-PM? a) Verbände: Klar kann sich jeder zu diversen Fachgruppen oder Gremien melden. Aber mal ehrlich: Glauben Sie, dass Sie mit diesem Angebot z.B. die "agile Community" - um es einmal verkürzt auszudrücken - erreichen werden? b) Initiativen wie Open-PM: Hier entsteht die Offenheit vor allem durch die Transparenz des gesamten Prozesses. Das muss und soll nicht der Anspruch an Verbände sein, aber wie Sie selbst auch schreiben: Damit werden neue Zielgruppen und ungenutzte Potenziale erschlossen.

Knowledge-Community: Ob eine offene Plattform mit zugegebenermaßen sehr professionell aufgezogenen Wissensplattformen wie dem Projektmagazin mithalten kann. Aber auch hier geht es nicht um ersetzen oder konkurrenzieren, sondern vielmehr um ergänzen.

Konkret formulieren, was ich/wir will/wollen: Mir kommt vor, die ganze Angelegenheit wurde innerhalb kürzester Zeit aufgebläht. a) Im Kern geht es mir persönlich um eine Weiterentwicklung im Projektmanagement. Ich denke, dass Verbände in diesem Zusammenhang eine wichtige Aufgabe und Funktion haben. Und genau in diesem Zusammenhang würde ich die stärkere Öffnung (zumindest im Bereich der Standards) begrüßen. b) Davon getrennt zu betrachten ist die Open-PM-Initiative. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit klarstellen, dass ich weder eine Sprecherfunktion in dieser Sache wahrnehme, noch dass ich im Kernteam an der Idee arbeite. Ich befinde mich bestenfalls in der 2. Reihe. Deshalb wird es wohl sinnvoller sein, wenn Marcus Raitner diese Frage beantwortet. Und wenn ich es richtig verstanden habe, wird er dies in kürze auf seinem Blog tun. Die Grundidee ist aber hier beschrieben:http://openpm.info

Stefan
Hagen
Dr.

http://misc.raitner.de/2011/11/open-pm-klaerungen/

 

Ulrich
Rohde

Herr Hagen hat grundsätzlich recht! Ich bin seit 20 Jahren im PM und mit PM aktiv. Ein Teil der Kommentare beschreibt m.E. sehr gut, dass sich die PM Standards mittlerweile weit von der Projektrealität entfernt haben! Gerade in den letzten Jahren hat sich das Klima national und international bezüglich des Projektmanagements in Richtung "Geheimniskrämerei" verändert. War vor 20 Jahren das PM noch Mittel zum Zweck, nämlich eine Ansammlung von Erfahrungen und Methoden zur Steuerung komplexer Aufgaben, so wurde PM in den letzten 10 bis 15 Jahren immer mehr zu einer eigenen "Wissenschaft" mit eigener Komplexität und Terminologie (junge Kollegen stöhnen alle über den Umfang der Studien, die betrieben werden müssen, um ein Zertifikat zu erlangen)! Auch die zunehmende "Verwissenschaftlichung" durch Einrichtung vieler PM-Lehrstühle an Universitäten und Hochschulen führte m.E. den eigentlichen Sinn und die Philosophie des PM ad absurdum: Sogenannte "Hyperexperten" diskutieren in einem abgeschotteten "Expertenraum" die PM- Fragestellungen und entwickeln Normen und Standards. Wer die „standardisierte“ PM-Systematik dann mit „gesundem“ Menschenverstand versucht nachzuvollziehen, der scheitert immer öfter! Die drei internationalen Standards IPMA, PMI und PRINCE2 korrespondieren zwar miteinander (wäre sonst aus Sicht des PM ja auch Unsinn!), stehen jedoch in Konkurrenz zueinander. Mein Eindruck ist auch, dass alle Standards mittlerweile eher "Geschäftsmodellen" entsprechen und weniger die Idee dahinter steht, Projektmanagement als wertvolle Sammlung jahrzehntelanger Erfahrungen und sinnvoller Methoden von Praktikern für Praktiker einer großen Allgemeinheit zugänglich zu machen. Natürlich sind Verbände wichtig, um die Idee auf breitere Basis zu stellen und auch Entwicklungsdiskussionen einzuleiten (siehe ja auch diese von Herrn Hagen ausgelöste Debatte). Herr Angermeier unterstellt jedoch in einem seiner Beiträge eine gewisse Naivität, wenn man über Änderungen in der Verbandslandschaft diskutiert! Das Bild, das er zeichnet ist m.E. jedoch genau so überpointiert, wie er dies Herrn Hagen vorwirft! Meine Kritik richtet sich an die PM-Fachverbände, weil sie zunehmend durch die immer tiefgreifendere Festlegung von Standards auch massiv in die Projektautonomie (= Kreativität) beeinflussen. So haben diese Standards auch dazu geführt, dass mittlerweile in manchen Unternehmen über die eingeführten PM-DIN Normen bestimmte PM-Prozesse und Tools verlangt werden, die in der Praxis vollkommen überdimensioniert sind und keinen Nutzen bringen (Entwicklung analog der DIN ISO Zertifizierungsverfahren). Normen und Standards sind nur solange gut, solange sie auch in Frage gestellt werden dürfen und vor allem auch immer wieder an der Realität ausgerichtet werden. Und „Vereinsmeierei“ ist nicht automatisch ein Beleg für die Richtigkeit der eigenen Normen und Standards! Natürlich sollen Experten für ihr Wissen (siehe PM Lexikon, in dem steckt ja viel Arbeit) auch bezahlt werden (ist in der Wirtschaft doch logisch), wenn ich mir aber das Ergebnis von teuren Zertifikaten in der Praxis ansehe, dann treffe ich oft bei unseren Kunden auf "top zertifizierte Projektmanager" (nach irgend einem der drei großen Standards), die dann trotzdem unfähig sind, ihre Projekte erfolgreich zu steuern! Da stimmt doch dann etwas nicht mit diesen Zertifikaten als Qualitätsnachweis (die ja auch noch aus meiner Sicht extrem teuer sind)! Dies suggeriert so ein Zertifikat zumindest. Gleiches erlebe ich auch bei MBA-Studenten, die teilweise gerade in größeren Unternehmen auch die üblichen Zertifikate im PM erlangt haben und dann trotzdem in speziellen PM-Szenarios inhaltlich vollkommen versagen! Ich kenne viele hervorragende PM-Fachleute, die kein Zertifikat haben! PM lebt doch auch von Innovation und permanentem "Aufbruch": Insoweit finde ich den Ansatz der Diskussion von Herrn Hagen längst überfällig hoffe auf eine offene Debatte, um die Verkrustung und Selbstbeweihräucherung, die sich mittlerweile z.T. über die PM-Szene gelegt hat, mal wieder aufzubrechen! Das Internet bietet sich doch an, dass eine PM-Community sich offen über die Möglichkeiten und Grenzen des PM austauscht. Ich finde die Diskussion erfrischend!

 

Guest

Die Entwicklungen um #openpm zeigen zunächst einmal, dass hier wohl ein Bedarf besteht, der nicht befriedigt wird. Agile Themen werden fester Bestandteil der #openpm Diskussion sein. Kein Wunder, es geht ja um Dinge, die in der Praxis Relevanz haben. Kunden reden über Scrum, Kanban, etc. oder setzen diese Konzepte bereits ein. Die Herausforderungen werden immer komplexer, gerade in der IT, aber die alten Lösungen scheinen immer weniger zu funktionieren. Da würde ich mir von den PM-Verbänden eine Vorreiterrolle wünschen. Faster continuous improvement even for the standards! Leider sieht es derzeit so aus, als müßte sich das "von unten" entwickeln. #openpm wird Teil davon sein. Ich würde es mal so zusammenfassen für das, was #openpm werden könnte: über die geplannte Sammlung von Best Practices für bestehende PM-Standards und die Hinzunahme von aktuellen Strömungen (Scrum, ...) wird ein Baukasten entstehen, der eine sinnvolle Adaption bestehender PM-Standards beschreibt. Dies wird PMs die Möglichkeit geben, je nach Projektumfeld den passenden Ansatz zu wählen. Es ist zu erwarten, daß diese Entwicklung Einfluss auf die Weiterentwicklung der aktuellen PM-Standards nehmen wird. Aber die Erkenntnisse im Kern der Standards werden davon unberührt bleiben (Soft-Skills, Risikomanagement, ...).