Zeitsparendes Risikomanagement mit einem standardisierten Risiko- und Maßnahmenkatalog
Zeitsparendes Risikomanagement mit einem standardisierten Risiko- und Maßnahmenkatalog
Risikomanagement ist oft mit einem hohen zeitlichen Aufwand verbunden, weshalb viele Verantwortliche es als eine unnötige Belastung ansehen. Doch das Risikomanagement kann erfolgsentscheidend sein: Viele Projekte scheitern, weil die Risiken nicht gewissenhaft erhoben und bearbeitet wurden. Aber wie lässt sich gutes Risikomanagement mit einem zeitlich vertretbaren Aufwand umsetzen? Im Folgenden stellen wir eine praxiserprobte Methode vor, mit der Unternehmen ohne großen Aufwand ein gutes und effizientes Projektrisikomanagement durchführen können: Risikomanagement mit einem einheitlichen und standardisierten Risiko- und Maßnahmenkatalog. Dem Artikel beigefügt ist ein entsprechendes Excel-Tool, das zur Risikobearbeitung genutzt und editiert werden kann.
Allgemeine Erfolgsfaktoren
Unseren Erfahrungen nach sind für ein erfolgreiches Risikomanagement insbesondere folgende Faktoren entscheidend:
- Einfache Methode:
Um die Mitarbeiter zu motivieren, Risikomanagement durchzuführen, ist es wichtig, dass die eingesetzte Methode einfach und standardisiert ist. Wird im Unternehmen ein zu kompliziertes und zeitraubendes Verfahren verwendet, halten die Mitarbeiter das Risikomanagement für eine unnötige Belastung und den Zeitaufwand für nicht gerechtfertigt. In der Folge kann es geschehen, dass sie das Risikomanagement nur unzureichend oder nicht sorgfältig durchführen. Tiefe Risikoanalysen sollten deshalb nur eingesetzt werden, wenn sie einen beachtlichen Mehrwert bringen. - Klarer individueller Nutzen:
Für jeden Projektmitarbeiter muss erkennbar sein, welchen individuellen Nutzen er aus dem Risikomanagement zieht. Erkennt der Mitarbeiter keinen persönlichen Nutzen, empfindet er das Risikomanagement als unnötige Belastung. Dieser persönliche Nutzen kann z.B. sein:
- Rechtfertigung, falls etwas im Projekt schief geht
- Dokumentation und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen
- Erhöhte Erfolgschancen des Projekts und individuelle Anreize (z.B. monetäre Vergütungen oder andere Vergünstigungen)· - Offene Risikokultur:
Inwieweit das Projektrisikomanagement erfolgreich ist, hängt wesentlich von der Risikokultur des Unternehmens ab. Das Management sollte eine offene Risikokultur fördern und alle Mitarbeiter dazu ermutigen, zur Risikoidentifikation beizutragen und unangenehme Risiken ans Licht zu bringen. Mitarbeiter, die auf Risiken hinweisen, dürfen nicht als Pessimisten oder "Schwarzseher" angeprangert werden. Viele Unternehmen mit einem erfolgreichen Risikomanagement leben eine offene Risikokultur.
Risikomanagement-Methode: Sechs Schritte zum Erfolg
Auf Basis der drei Erfolgsfaktoren "Methode", "Nutzen" und "Risikokultur" haben wir eine Risikomanagement-Methode entwickelt, die ein einfaches und gutes Risikomanagement ermöglicht. Das Fundament bildet ein standardisierter Risikokatalog, der nur ein einziges Mal erstellt und danach in allen Projekten des Unternehmens verwendet wird. So müssen die Risiken in den einzelnen Projekten nicht immer wieder neu und mit hohem zeitlichem Aufwand identifiziert werden. Außerdem ist sichergestellt, dass alle aus Sicht des Managements wichtigen Aspekte berücksichtigt werden. Damit sich die einzelnen Projekte miteinander vergleichen lassen, werden alle Risiken anhand derselben Skalen für die Parameter "Eintrittswahrscheinlichkeit" und "Schadensausmaß" bewertet.
Das Verfahren ist praxiserprobt. Es wird bei einem führenden Messebauer und einem Beratungsdienstleister eingesetzt, ein drittes Unternehmen überwacht damit die Risiken der eigenen großen Bauprojekte. Insbesondere wird das Verfahren in Bau- und IT-Projekten eingesetzt. Da es mit einem geringen Aufwand verbunden ist, eignet es sich nicht nur für große, sondern auch für mittlere Projekte. Insbesondere Unternehmen, die einen sehr starken Fokus auf die Projektarbeit legen, können es nutzbringend verwenden.
1. Projektrisiken identifizieren
Risikoanalysen bei zwölf Unternehmen mit einer Belegschaft zwischen ca. 100 und 3.500 Mitarbeitern haben gezeigt, dass die Risikoidentifikation am besten im Rahmen von Workshops durchgeführt werden sollte. Die Teilnehmer sollten möglichst alle Bereiche der Firma vertreten, denn nur mit einer heterogenen Gruppe lässt sich gewährleisten, dass alle Risiken erfasst werden (Diversität, vgl. Surowiecki 2004). In der Regel empfiehlt es sich, dass der CEO nicht am Workshop teilnimmt, da die Mitarbeiter in seiner Gegenwart solche Risiken nicht ansprechen, die das Management und die Strategie betreffen (fehlende Unabhängigkeit, vgl. Surowiecki 2004). Im Idealfall nehmen fünf bis zehn Personen am Workshop teil. Mehr Personen erschweren die Arbeit in der Gruppe und bringen kaum neue Perspektiven ein. Da die Teilnehmer nur ungern Kritik an gängigen Unternehmenspraktiken und Entscheidungen anderer äußern, ist es sinnvoll, die Leitung des Workshops einem firmenexternen Moderator mit Projekterfahrung zu übertragen. Dieser sollte unangenehme Themen aufgreifen, die von den Mitarbeitern nur zögerlich vorgebracht werden.
Zu Beginn des Workshops identifizieren die Teilnehmer für sich allein mittels Brainstorming möglichst viele Projektrisiken und schreiben sie auf Karten. Danach stellt jeder seine Risiken vor, dabei wird die Relevanz der Risiken zunächst nicht besprochen. Bereits von anderen Teilnehmern erwähnte Risiken werden ausgelassen. Indem die Risiken vorgestellt und erläutert werden, wird sichergestellt, dass alle Teilnehmer dasselbe Verständnis der Risiken teilen. Es ist sinnvoll, anschließend Checklisten, bereits bestehende SWOT-Analysen und Analysen von Kundenreklamationen zu nutzen, um die Risikoidentifikation zu komplettieren.
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Ralph Scholl
26.09.2012