
Raimund Lustig
12.06.2013
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Meist werden Mitarbeiter zu Projektleitern ernannt, die über besondere Expertise im Projektgegenstand verfügen. Klaus Tumuscheit hält dies für einen gravierenden Fehler, da Projektleiter in erster Linie Projektmanagement beherrschen müssten. Wer nur Fachexperte ist, schade sogar dem Projekt, da er zum einen die Kompetenz des Teams nicht ausreichend einbinde und zum anderen die Managementaufgaben nur unzureichend erfülle. Tumuscheit plädiert für ein größeres Projektmanagement-Bewusstsein und appelliert an Top-Manager, in den Aufbau von Projektmanagementkompetenz ihrer Mitarbeiter Zeit und Geld zu investieren, um die Erfolgschancen ihrer Projekte zu erhöhen.
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Meist werden Mitarbeiter zu Projektleitern ernannt, die über besondere Expertise im Projektgegenstand verfügen. Klaus Tumuscheit hält dies für einen gravierenden Fehler, da Projektleiter in erster Linie Projektmanagement beherrschen müssten. Wer nur Fachexperte ist, schade sogar dem Projekt, da er zum einen die Kompetenz des Teams nicht ausreichend einbinde und zum anderen die Managementaufgaben nur unzureichend erfülle. Tumuscheit plädiert für ein größeres Projektmanagement-Bewusstsein und appelliert an Top-Manager, in den Aufbau von Projektmanagementkompetenz ihrer Mitarbeiter Zeit und Geld zu investieren, um die Erfolgschancen ihrer Projekte zu erhöhen.
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Vor jedem Projekt stellt sich der gewissenhafte Auftraggeber die Frage: Wer soll Projektleiter sein? Wenn wir einen Blick auf die Herkunft der Projektmanager werfen, die in der Praxis vorwiegend durch einen Vorgesetzten ernannt werden, liegt häufig der Schluss nahe: Ein Projektmanager braucht vor allem Fach- und Branchenkenntnis! Denn die meisten Projektmanager zeichnen sich dadurch aus, dass sie mitunter extrem fach- und branchenkompetent sind. Ergo: Fachkompetenz = Projekterfolg. Diese Argumentation erscheint auf den ersten Blick logisch. Meine These hingegen ist: Das ist eine Scheinlogik. Ich möchte die Gegenthese aufstellen und im Folgenden begründen: Branchen- und Fachkenntnis ist nützlich, aber nicht notwendig für Projekterfolg im Sinne der Definition: Projekt ist on time, on target und on budget. Branchen- und Fachkenntnisse sind nützlich – aber Projektmanagementkompetenz ist entscheidend.
Wenn ich in meiner Aufgabe als externer Projektberater mit Entscheidern, Mitgliedern von Lenkungsausschüssen und Auftraggebern unter vier Augen spreche, gestehen einige von ihnen – nach Zusicherung, auf keinen Fall ihren Namen zu nennen – oft einen sekundären Grund für die Ernennung von Projektleitern, der etwas überraschen dürfte: "Wenn etwas schiefgeht mit dem Projekt", erklärt zum Beispiel ein Vertriebsvorstand hinter vorgehaltener Hand, "bin ich aus dem Schneider, weil ich dann sagen kann: Was wollt ihr denn? Ich habe schließlich den Fachkompetentesten zum Projektleiter ernannt!" Natürlich haben alle Entscheider ein starkes Interesse am Projekterfolg – aber natürlich auch ein mindestens genauso starkes Interesse am persönlichen Risikomanagement: Wenn es schiefgeht, darf nichts an ihnen "hängenbleiben". Das diktiert der hierarchische Überlebensinstinkt.
Das sind für den Entscheider die großen Vorteile eines Projektmanagers mit herausragender Fachkompetenz: Schuldbefreiung, Abgabe der Verantwortung, Schutz des Auftraggebers. Denn es ist der Projektleiter, der das Projekt steuert – aber die maßgeblichen Entscheidungen treffen der Auftraggeber und/oder der Lenkungsausschuss. Deshalb tragen sie auch den größten Teil der Verantwortung für ihre Projekte. Und genau diesen Teil versuchen viele (nicht alle!) mit der Wahl von besonders fachkompetenten Projektleitern mehr oder weniger stark abzuwälzen.
Leider hat diese Delegationspraxis einen Nachteil: Der ernannte Projektleiter verfügt zwar über eine hohe Fachkompetenz, aber nach meiner Beobachtung aus 30 Praxisjahren nur selten im selben Maße über Kompetenz im Projektmanagement. Trotz aller Trainingsbemühungen der letzten Jahre gibt es nur ganz wenige Manager und Mitarbeiter, die beides haben: Fachkompetenz und Projektmanagementkompetenz. Zwar stieg die Zahl der zertifizierten Projektmanager in den letzten Jahren massiv, doch ebenso massiv stieg die Zahl jener Projektleiter (und ihrer Vorgesetzten), die mir in Coachings und Trainings klagen: "Wir müssten jetzt das Zertifikatswissen unter großem Aufwand auf unsere Unternehmensprozesse und unsere Mitarbeiter übertragen – aber diesen Aufwand können wir nicht leisten!" Dazu fehlt vielen auch die Erfahrung dieser Übertragung und Anpassung. Deshalb sind projektmanagementkompetente Projektleiter immer noch rar.
Wer "nur" fachkompetent ist, bringt leider meist nicht die ebenfalls nötige Kompetenz zum Planen und Steuern von Projekten mit. Er oder sie schafft es deshalb oft nicht, ein Frühwarnsystem aufzubauen, Arbeitspakete zu schnüren oder ein Risiko- und Stakeholder-Management aufzubauen – Aspekte, die gemeinhin unter "Methodenkompetenz" fallen.
Viele Projektleiter, die über eine hohe Fachkompetenz verfügen, kommen erst gar nicht auf die Idee, solche Maßnahmen zu ergreifen, weil sie zu sehr von ihrer Fachkompetenz überzeugt, besser: geblendet sind. Ein 38-jähriger Projektleiter bei einem Logistikdienstleister erklärte mir zum Beispiel: "Das bisschen Projektmanagement – so schwierig kann das doch nicht sein!" Als ich eine Projektleiterin, 28 Jahre, Industriebetrieb, auf die Notwendigkeit von Stakeholder- und Risikomanagement ansprach, erklärte sie mir: "Ja, schon – aber im Grunde ist das doch lästig! Das hält uns bloß von der eigentlichen Arbeit ab." Gewiss: Eben weil sie fachkompetent sind, können diese Projektleiter es kompensieren, wenn die Linie nicht liefert oder die Entscheider nicht rechtzeitig entscheiden. Sie machen oder organisieren die nötigen Arbeiten dann eben selbst. Oder sie finden kraft ihrer Fachkompetenz irgendwo einen Schleichweg, um das Projekt trotzdem weiter voranzubringen.
Der vom Auftraggeber erhoffte Vorteil der Fachkompetenz stellt sich auf diese Weise ein – der Nachteil ebenfalls.
Denn die Kehrseite der Medaille sind Teammitglieder, die das Gefühl haben, nicht voll eingebunden zu sein, weil der überragend fachkompetente Projektleiter ohnehin alles alleine stemmt und wegen seiner überragenden Fachkompetenz immer alles besser weiß. So erklärten mir die rund zwei Dutzend Mitglieder eines 50-Millionen-Projekts, als der Projektleiter kurz aus dem Meeting raus ging: "Wenn er uns links liegen lässt, dann soll er es eben alleine machen." In den vorausgegangenen Minuten hatte er wieder einmal die Risikowarnungen seiner Teammitglieder kraft seiner Fachkompetenz zwar mit guten Argumenten aber so kategorisch vom Tisch gewischt, dass die Leute schlicht die Lust an der Beteiligung verloren. Sie ließen ihn danach zwei Stunden praktisch alleine reden.
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