In neuen Projekten bestehenden Nutzen übernehmen
In neuen Projekten bestehenden Nutzen übernehmen
Projekte sind darauf ausgerichtet, etwas Neues zu schaffen, ein Problem zu lösen oder etwas Älteres, Schlechteres durch Besseres zu ersetzen. Allein die Formulierung des Projektauftrags enthält bereits eine Kritik am Bestehenden. Dies ist besonders bei Veränderungsprojekten der Fall.
Kritik wird oft als Vorwurf und Abwertung empfunden. Tatsächlich äußern sich viele Projektmitglieder gegenüber dem Bestehenden und seinen Repräsentanten häufig abschätzig, so als hätte man schon früher wissen können, dass "das nichts ist". Das trifft nicht nur diejenigen, die für den alten Zustand verantwortlich sind, sondern auch die Personen, die (noch) unter den alten Bedingungen arbeiten. Hier tritt oft ein nur scheinbar erstaunlicher Widerspruch auf: Die Betroffenen, die selbst Kritik am Bestehenden geäußert haben, beginnen nun, den alten Zustand vehement zu verteidigen, wollen von Bewährtem nicht lassen und leisten aktiven oder, noch häufiger, passiven Widerstand gegen die Neuerungen. Wie kommt das?
Betroffene sind im allgemeinen gerne bereit, an Neuerungen mitzuarbeiten, um die Dinge abzustellen, die sie selbst als unzureichend empfinden. Dennoch wollen sie nicht rückwirkend für ihre Entscheidungen und Handlungen getadelt werden. Kritik bezieht sich nicht nur auf die Inhalte der Arbeit, sondern auch auf Arbeitsweisen und Strukturen; das erzeugt Widerstand. Dieses Gefühl der Abwertung und Respektlosigkeit ist oft der Grund dafür, wenn bei der Vorstellung der Veränderungen das Haar in der Suppe gesucht wird, statt erst einmal die Suppe zu probieren.
Dabei ist es häufig ganz unnötig, alles Alte in Bausch und Bogen zu verwerfen. Erhaltenswertes aus dem Bisherigen zu übernehmen, kann Zeit und Kosten sparen und für die Betroffenen Orientierungspunkte schaffen, an denen sie mit dem Neuen anknüpfen können.
Nutzen von Würdigung und Wertschätzung für die Projektarbeit
Es reicht nicht, bei der Analyse des Vorhandenen nur die Fakten und Strukturen zu erheben, sondern es muss auch der Nutzen des Bestehenden erfasst werden. Dabei sollten außer dem Hauptnutzen auch die Nebenvorteile beachtet werden, die für die Betroffenen durchaus wertvoll sein können.
Wenn im Projekt der Nutzen des Alten bekannt gemacht und gewürdigt wurde, wird man bestrebt sein, ihn bei neuen Lösungen zu berücksichtigen. Das erhöht die Lösungsqualität und erleichtert die Akzeptanz des Neuen. Dennoch fällt häufig dem Neuen Bewährtes zum Opfer. Allein die Tatsache, dass bei der Implementierung der Projektergebnisse auf diesen Verlust hingewiesen und somit anerkannt wird, dass es sich dabei tatsächlich um einen Verlust handelt, erleichtert den Betroffenen die Übernahme der Projektergebnise. Ist einmal diese Bereitschaft bei den Anwendern erzeugt, bringen sie auch mehr Verständis für die unabwendbar einsetzenden Anfangsschwierigkeiten auf und sind eher bereit, an den Verbesserung der Lösungen mitzuarbeiten.
Worauf ist zu achten?
Wie Lob und Tadel sind Würdigung und Wertschätzung sehr sensible Vorgänge: Sie funktionieren nur, wenn sie ehrlich und ernst gemeint sind. Wer würdigt, fällt ein (positives) Werturteil über Verfahren, Ergebnisse und damit über Menschen. Projektleiter und -mitarbeiter stehen in keiner Verantwortungsbeziehung zu den Betroffenen. Deshalb wird ihr Urteil eher als überheblich denn als hilfreich empfunden. Ihre Würdigung besteht darin, dass sie den Nutzen, den das Alte gebracht hat, in ihre Lösungen einbeziehen und nicht so tun, als sei alles Bisherige wertlos. Dies ist eine Haltung des Respekts, die in das Selbstverständnis des Projekts eingeht und damit ebenso wie Logik, Analysefähigkeit, Kreativität und Sachverstand zu den Grundfähigkeiten im Projekt gehört.
Vor allem sind die Betroffenen, die Führungsebene und eventuell die Kunden dazu aufgerufen, über das Bisherige zu urteilen. Da so etwas nicht automatisch passiert, muss es im Projekt organisiert werden.
Wie kann es ablaufen?
Schon aus sachlichen Gründen sollten in die Erhebung des Ist-Zustands die Betroffenen und ihre Führungsebene einbezogen werden. In dieser Phase ist es ohne großen Mehraufwand möglich, neben der Frage nach dem, was zu verbessern ist, auch nach dem Nutzen des bisherigen Zustands zu fragen.
Die Frage kann lauten: "Worin bestand der Nutzen des bisherigen...?" Dabei lassen sich je nach Situation unter anderem Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Kommunikation, Arbeits(zeit)gestaltung oder Bequemlichkeit konkret ansprechen.