Die Zukunft des PMO: Strategische Beratung statt Administration
Die Zukunft des PMO: Strategische Beratung statt Administration
"PMO-Aufbau und Entwicklung – erweiterte Aufgabengebiete – Multiprojektmanagement und Projektportfoliomanagement" – mit diesem Motto war das Spektrum der Themen für den PMO-Day des PM-Instituts am 29. Juni in Wiesbaden sehr breit angelegt, meine Erwartungen an den Tag waren dementsprechend groß. Auch ich selbst war diesmal mit einem Vortrag dabei. Und ich wurde nicht enttäuscht: Die Fachkolleginnen und -kollegen am Referentenpult zeigten die unterschiedlichen Perspektiven auf und vermittelten einen guten Eindruck, wie die Zukunft des PMO aussehen kann.
Das PMO braucht neue Rollen & Aufgaben...
Mit seiner Forderung nach "einer neuen Rollendefinition für das PMO" leitete Prof. Dr. Frederik Ahlemann die Expertentagung ein. Eine positive Wirkung durch den Einsatz eines PMOs auf Projekt- und Portfolioerfolg sei bisher durch Studien nicht ausreichend nachweisbar, so Ahlemanns ernüchternde Aussage.
Seine Forschungen an der Universität Duisburg-Essen konzentrieren sich daher darauf, den Einfluss von PMOs auf Verhaltensänderungen der Projektmanager untersuchen. Dies kann z.B. durch die systematische Auditierung von abgeschlossenen Projekten gemessen werden, deren Projektmanager vor dem Projekt ein Training durch erfahrene Projektmanager der Organisation (in Hinblick auf das geplante Vorgehensmodell) oder währenddessen ein Coaching erhalten hatten.
Ahlemanns Fazit gibt dennoch Grund zur Hoffnung: Erste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass von PMOs langfristig eine positive Wirkung ausgeht, wenn diese sich auf spezielle Schwerpunktthemen konzentrieren. Wesentlicher Treiber dieses Erfolgs ist laut Ahlemann ein neues Rollen-Verständnis von PMOs, inklusive einer neuen Aufgabenstellung: Das PMO sollte den Kompetenzaufbau fördern, Best Practices identifizieren, Reflektion ermöglichen und Lösungsansätze anstoßen.
... und mehr Unterstützung durch das Management
Matthias Hirzel stellte im nachfolgenden Fachreferat die unternehmerische Verantwortung in den Vordergrund und stellte damit aus seiner Sicht klar, wo die Aufgabenstellung an ein PMO an seine Grenzen stößt: Die strategische Positionierung des Managements ist seiner Ansicht nach die wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Projektportfoliomanagement aus betriebswirtschaftlicher Sicht.
Als Folge daraus sei das Projektportfolio auf Marktorientierung und strategische Unternehmensziele auszurichten. Das PMO müsse harte Fakten darüber liefern, wie viele Ressourcen und damit verbundene Kosten in Projekten gebunden sind, forderte er – damit das Management die Vielfalt der Projekte reduzieren und die richtigen Projekte zur Umsetzung der strategischen Ziele erfolgreich realisieren könne.
Eine Aufgabe, die meiner Erfahrung nach die meisten PMOs bereits schultern, wobei jedoch die strategisch orientierten Entscheidungen des Managements in Bezug auf die Reduzierung des Projektvolumens zumeist auf sich warten lassen.
Transparenz ist nicht immer gefragt
Auch der Vortrag von Arnd Sauer, "Wunsch und Wirklichkeit eines strategisch aufgestellten PMOs", bestätigte diese Auffassung: Fakten, Daten, KPIs – dies sei nötig, um Transparenz zu schaffen, betonte er diese klassische Aufgabenstellung an das PMO. Jedoch sei diese Transparenz nicht immer gewollt, so Sauer, etwa aufgrund willkürlich gesetzter Prioritäten wie bei sogenannten "Vorstandsprojekten".
Das Management sei daher gefordert, im Unternehmen die Führungs- und Kommunikationskultur so zu entwickeln, dass die durch das PMO entstehende Transparenz nicht zu Konflikten führt. Der Wunsch nach strategisch orientierten, auf Fakten basierten Managemententscheidungen zur Steuerung des Projektportfolios werde leider allzu häufig von der Wirklichkeit in den Unternehmen ausgebremst: Mitglieder der Führungsebene verfolgten persönlichen Ziele und würden im Zuge dessen immer wieder neue Projekte ohne Abstimmung des Gesamtportfolios einschleusen – wodurch sie das PMO langfristig aushebeln.
Portfoliomanagement geht auch ohne PMO
Dass ein Portfoliomanagement auch ohne ein PMO aufgebaut werden kann, zeigte eindrucksvoll ein Praxisbericht aus dem Bankensektor. Vor dem Hintergrund einer über sechs Jahre gewachsenen Kompetenz im Projektmanagement gelang es der Sparkasse Krefeld, Schritt für Schritt ein strategisch orientiertes Projektportfoliomanagement aufzubauen, berichtete Matthias Sandkamp.
Als wesentliche Voraussetzung dafür nannte er den Wandel bei Werten und Führungsverständnis in Richtung "normatives Management" (nach dem St. Galler Managementmodell), das mit dem Fokus Unternehmenspolitik, Leitlinien und Standards die Grundsätze vorgibt – und damit den Boden bereitet für die strategische Zielsetzung des Projektportfoliomanagements. Damit zeigte der Referent auf, wie erfolgreich Portfoliomanagement mit "Rückenwind" durch die Führungsebene eingeführt werden kann.
Kein PMO-Erfolg ohne Kulturwandel
Um tatsächlich Nutzen aus dem Einsatz eines PMO ziehen zu können, dauert es einige Jahre! Doch der Erfolg zeigt, dass sich der Einsatz lohnt. Diese Botschaft vermittelten zwei Best-Practice-Erfahrungen aus sehr unterschiedlichen Branchen (Softwareentwicklung und Nahverkehr) auf unterhaltsame und kurzweilige Art.
Zunächst zeigte Jörg Ockel eingängig auf, dass es mit der Positionierung des Projektmanagements als Kernprozess in der Prozesslandkarte eines Unternehmens sehr gut gelingen kann, die Projektarbeit in die "Servicewelt" eines Softwareunternehmens zu integrieren. Den Einsatz eines Portfolio-Boards als Steuerungs- und Kommunikationszentrale zwischen Kunde und Entwicklungsteam nannte der Referent dabei als den wesentlichen Erfolgsfaktor: Vertreter des Managements aus Vertrieb, Professional Services und IT stellen darin zusammen mit der Projektleitung in einem wöchentlichen Jour Fixe den Abgleich der Requirements mit den Entwicklern her und prüfen Projektanträge frühzeitig (vor der Angebotserstellung) auf Machbarkeit.
In einem weiteren Erfahrungsbericht stellte Cristina Acevedo die erfolgreiche stufenweise Entwicklung des PMOs eines Schweizer Bahnunternehmens vor. Dazu wurde über fünf Jahre hinweg eine Kultur der Transparenz und Risikokommunikation im Unternehmen aufgebaut.
Beide Referenten stimmten darin überein, dass im Laufe der Entwicklung etliche schwierige Hürden zu überwinden seien: Insbesondere die Kultur im Unternehmen und das "Mitnehmen" der Projektleute seien große Herausforderungen, die – wie die beiden Beispiele zeigten – mit offener Führungskultur und Bereitschaft zur Kommunikation jedoch gemeistert werden können.
Der Einfluss von Industrie 4.0
Eine völlig andere Facette der Aufgaben und Ziele eines PMOs fokussierten zwei Fachreferate des Tages, die die technologischen Veränderungen des Arbeitsumfelds in Projekten thematisierten. Rege Diskussionen zu disruptiven Geschäftsmodellen und die sich dadurch verändernden Regeln in der Projektarbeit begleiteten den Fachvortrag von Dr. Wolfram von Schneyder aus der GPM Fachgruppe PMO über das Spannungsfeld, in dem sich das PMO durch die tiefgreifenden Veränderungen des immer schnelleren technologischen Wandels befindet. Auch von Schneyder forderte einen Wandel der Unternehmens-Philosophie als Voraussetzung dafür, dass das PMO nutzbringend im Unternehmen eingesetzt werden kann.
In meinem eigenen Fachvortrag stellte ich das PMO als Schnittstelle zwischen Informationssicherheit und Projektmanagement vor. Meine Kernfrage lautete: "Was kann das PMO leisten, um die strategischen Sicherheitsziele von Unternehmen in Projekten umzusetzen?“. Dazu stellte ich insbesondere komplexe, hochvernetzte Projekte im Umfeld digitaler Bedrohungen und Industriespionage auf Basis von Social Engineering vor.
Eine Schnittstellenfunktion des PMOs mit diesem Fokus sei durchaus praktikabel und wünschenswert, bestätigten mir die Teilnehmer in den anschließenden Diskussionen, um die Sicherheitsanforderungen in die Projektmanagementprozesse zu integrieren. Hierbei entstand bei mir der Eindruck, dass der Umgang mit Sicherheitsanforderungen in Projekten in der Unternehmenspraxis noch bei weitem nicht so selbstverständlich ist, wie ich es mir erhoffe.
Portfolio steuern mit "holistischer Software"
Die Forderungen nach harten Fakten über Projekte, Ressourcen und Kosten sowie die Anforderung an Nachvollziehbarkeit sowie Transparenz der Daten sind im Projektportfoliomanagement nur dann zeitnah und verlässlich zu erfüllen, wenn eine dafür optimierte Softwarelösung eingesetzt wird – aus dieser Perspektive heraus stellte Wolfgang Steigert den Teilnehmern des PMO-Days schließlich eine als "Holistisches Portfoliomanagement" bezeichnete Lösung vor. Er zeigte dem Publikum die Funktionalität der Software "EPMO" an einem umfangreichen Beispiel mit Sichten auf Projekte, Strategien, Produkte und IT System.
Was aus meiner Sicht die Veranstaltung besonders wertvoll macht, sind die vielen Einblicke, die die Referenten den Teilnehmern in ihre eigene Arbeitspraxis gewähren. Der Mix aus verschiedenen Branchen und Perspektiven verschafft dabei Abwechslung und verleiht zudem dem Netzwerken rund um die Vorträge eine angenehme Würze – deshalb war ich beim diesjährigen PMO-Day gerne mit einem eigenen Vortrag als Referentin vertreten.
Wir sind auf dem Weg
Mit seiner Perspektive auf eine anspruchsvolle Weiterentwicklung der Rolle eines PMOs lieferte der Einstiegsvortrag einen knackigen Kontrast zu den Diskussionen über Hindernisse und Probleme der operativen Projektportfoliosteuerung. Insgesamt fand ich es sehr ermutigend zu hören, dass trotz der allseits bekannten Hürden eine strategisch orientierte Weiterentwicklung des PMOs in vielen Unternehmen bereits auf dem Weg ist.
Details zur Veranstaltung finden Sie unter www.pm-institut.de.