Führung in internationalen Projekten – Einflussfaktor Machtdistanz

Wenn Projektleiter internationale Projektteams führen, kommen kulturelle Unterschiede ins Spiel. Ein wichtiger Einflussfaktor ist dabei die Machtdistanz und, damit zusammenhängend, das Bild von der Führungskraft als einer Art Familienvater. Ulrich Nägele zeigt anhand von Praxisbeispielen aus Frankreich, Russland und Ostasien, was passieren kann, wenn Sie die Machtdistanz nicht berücksichtigen, und gibt Tipps, wie Sie solche Projekte erfolgreich führen und abschließen können.

Führung in internationalen Projekten – Einflussfaktor Machtdistanz

Wenn Projektleiter internationale Projektteams führen, kommen kulturelle Unterschiede ins Spiel. Ein wichtiger Einflussfaktor ist dabei die Machtdistanz und, damit zusammenhängend, das Bild von der Führungskraft als einer Art Familienvater. Ulrich Nägele zeigt anhand von Praxisbeispielen aus Frankreich, Russland und Ostasien, was passieren kann, wenn Sie die Machtdistanz nicht berücksichtigen, und gibt Tipps, wie Sie solche Projekte erfolgreich führen und abschließen können.

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Effiziente und effektive Führung stellt für Projekte einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Der Projektleiter stellt das Projektteam zusammen und führt es. Er trifft wichtige Entscheidungen, führt Ergebnisse zusammen, berichtet nach oben, delegiert nach unten und organisiert, wie die Aufgaben im Projektteam verteilt werden. Führung im Projekt findet situativ statt: Je nachdem, wie weit das Projekt fortgeschritten ist, muss der Projektleiter eher die Teambildung und -entwicklung im Blick haben oder aber darauf achten, dass die Mitarbeiter ihre Arbeitspakete zu den vereinbarten Zeitpunkten fertigstellen. Abhängig von seiner Erfahrung muss er den einzelnen Projektmitarbeiter enger oder weiter führen und spezifisch motivieren. So reicht es z.B. aus, wenn der Projektleiter mit einem erfahrenen Projektmitarbeiter, dem er vertraut, vereinbart, bis wann dieser das Ergebnis aus einem Arbeitspaket in welcher Qualität und zu welchen Maximalkosten vorlegt. Der Mitarbeiter organisiert sich dann selbst und liefert das gewünschte Arbeitsergebnis bzw. wendet sich bei Problemen aktiv an die Projektleitung.

Beziehen wir diese Zusammenhänge auf das internationale Projekt, so kommt im Rahmen der situativen Führung die sog. "Machtdistanz" als wichtiger Einflussfaktor dazu. Während meiner langjährigen Arbeit in internationalen Projekten habe ich häufig festgestellt, dass bei der Projektarbeit zu wenig darauf geachtet wird, dass bei Projektbeteiligten, die aus unterschiedlichen Kulturen kommen, oft auch ein unterschiedliches Verständnis von Machtdistanz vorherrscht. In Gesprächen mit Teilnehmern an Seminaren zur interkulturellen Kompetenz sowie durch den Austausch mit internationalen Projektmanagern und interkulturellen Coachs stellte sich heraus, dass weniger als die Hälfte der Projektleiter, die ins Ausland entsendet werden, dafür sensibilisiert ist.

Dieser Artikel soll Ihr Bewusstsein als Projektmanager internationaler Projekte dafür schärfen, dass es für den Erfolg eines solchen Projekts wesentlich ist, den Aspekt der Machtdistanz zu berücksichtigen. Zunächst wird der Begriff "Machtdistanz" erklärt und das kulturell unterschiedliche Verständnis von der Führungskraft als einer Art "Familienvater" betrachtet, das die Machtdistanz beeinflusst.

Was ist Machtdistanz?

Die Machtdistanz ist ein Begriff, den der niederländische Soziologe und Kulturforscher Geert Hofstede in den 70er Jahren etabliert hat. Der mittlerweile emeritierte Professor für Organisationsanthropologie und Internationales Management forschte mehrere Jahrzehnte u.a. an der Universität Maastricht, z.B. für Unternehmen wie IBM. Hofstede untersuchte, wie die kulturübergreifende Zusammenarbeit das Geschäftsleben beeinflusst. Dabei betrachtete er auch, wie sich kulturelle Unterschiede innerhalb eines Landes, z.B. zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz, auf das Geschäftsleben auswirken. Sein Sohn Gert Jan Hofstede unterstützte ihn in den letzten Jahren bei diesen Forschungen (siehe Hofstede; Hofstede, 2005).

Einen Hauptbestandteil von Hofstedes Werk macht die Entwicklung verschiedener Dimensionen aus, anhand derer sich Kulturen klassifizieren und in ihrer Grundstruktur verstehen lassen. Die Machtdistanz (Power Distance Index) ist eine dieser Dimensionen. Die Machtdistanz sagt aus, wie stark hierarchisch das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ist. Eine hohe Machtdistanz bedeutet, dass Mitarbeiter direkte Machtanwendung in der Organisationsführung akzeptieren. Geringe Machtdistanz weist auf das Gegenteil hin.

Die Führungskraft als "Familienvater"

Um die Bedeutung der Führungskraft in Kulturen mit hoher Machtdistanz zu verstehen, ist es wichtig, das traditionelle Bild des Familienvaters im Blick zu haben. Ein Familienvater gibt einerseits einen klaren Handlungsrahmen vor, andererseits schützt er seine Kinder. Analog dazu fordert eine Führungskraft in Kulturen mit hoher Machtdistanz Respekt und überprüft regelmäßig die Umsetzung ihrer Vorgaben. Sie erfragt regelmäßig, z.B. alle zwei Tage, in einem informellen Gespräch den Status bzw. überprüft zeitnah, ob der einzelne Mitarbeiter innerhalb des fest umrissenen Rahmens seine vorgegebenen Ziele erreicht. Im Gegenzug wird sich die Führungskraft schützend vor den Mitarbeiter stellen, sollte er einmal angegriffen werden, und sich für ihn einsetzen.

So kann der Begriff "Macht" positiv besetzt sein, wenn diese konstruktiv und zum Wohl der Gemeinschaft angewandt wird. Es entstehen eine tragfähige Beziehung und ein enger persönlicher Kontakt. Diese Sichtweise, eine Führungskraft quasi als Familienvater anzusehen, findet z.B. in romanophonen Kulturen auch in der Begriffswahl seinen Niederschlag: In Frankreich ist vom le patron die Rede, in Italien vom il patrone und in Spanien vom el jefe.

Auf das Projektmanagement übertragen bedeutet dies, dass ein Projektleiter aus einer Kultur mit hoher Machtdistanz seine Mitarbeiter eng führt. Er weist ihnen klar definierte, eng abgesteckte Aufgaben zu und kontrolliert engmaschig, ob sie die vorgegebenen Ziele einhalten.

In der deutschen Kultur dagegen ist Macht und der Einsatz von Macht eher negativ besetzt, u.a. aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die Machtdistanz ist in Deutschland niedrig. Hier lässt der Projektleiter seinen Mitarbeitern mehr Freiräume, um die vereinbarten Ziele umzusetzen. Der Mitarbeiter kann Ermessensspielräume nutzen, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

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Alle Kommentare (1)

Thomas
Deutschländer

Interessant.