Nachlese zum PM-Forum 2009 in Berlin Projektarbeit zwischen Begeisterung und Disziplin
Nachlese zum PM-Forum 2009 in Berlin Projektarbeit zwischen Begeisterung und Disziplin
Ein Filmregisseur schildert, wie sein Team ohne Gage, aber mit Begeisterung in fünf Tagen einen Kurzfilm drehte, der einen Oscar gewann. Ein Finanzprofessor beleuchtet historische Wirtschaftskrisen und stellt fest, dass diesen immer Perioden wirtschaftlicher Innovation vorausgingen, die Begeisterungen und eine Welle überbordender Erwartungen auslösten. Ein Querdenker klärt das Publikum humorvoll darüber auf, warum zu viel "Action" im Unternehmen jeden Projektleiter in die Knie zwingt - und veranschaulicht das im Comedy-Stil anhand seiner eigenen Erfahrungen.
Wo wir sind? Auf der Jahrestagung der GPM - Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement am 14. und 15. Oktober 2009.
Die Kunst des Projektmanagements
Etwa 700 Besucher, die beruflich mit Projekten befasst sind, nahmen an der GPM-Jahrestagung teil, die unter dem Motto "Die Kunst des Projektmanagements - inspiriert durch den Wandel" im Berliner Congress Centrum (BBC) am Alexanderplatz stattfand. Das BBC ist bemerkenswert: Es wurde in den frühen 1960er Jahren errichtet, 2004 denkmalgerecht renoviert und erfüllt heute alle funktionalen Anforderungen an eine moderne Tagungsstätte.</p> <p>Die Aufmerksamkeit der Tagungsteilnehmer dürfte sich aber eher auf das Tagungsprogramm gerichtet haben: fünf Keynotes, ca. 80 Vorträge in fünf Streams, ein parallel laufender Ausstellerstream sowie Workshops und Vorträge zum Thema Kunst im Projektmanagement. Die Ausstellungsfläche von über 2000 qm war von den ca. 40 Ausstellern voll belegt. Traditionell verlieh die GPM am Gala-Abend die PM-Awards für herausragende Projekte, darüber hinaus feierte sie ihren 30. Geburtstag. Also volles Programm für alle. Dazu einige persönliche Betrachtungen.
Spannende Keynotes
Die Key-Notes behandelten verschiedene Facetten des weit gespannten Tagungsthemas und waren von großem Unterhaltungswert.
Filmreif: Mit Begeisterung zum Oscar
Jochen Alexander Freydank sorgte für den ersten Höhepunkt der Tagung, als er die Entstehung seines Kurzfilms "Spielzeugland" schilderte. Er glaubte an sein Projekt und bettelte drei Jahre lang, bis er eine minimale Finanzierung erhielt. Mit seinem Team drehte er den Film innerhalb von fünf Tagen. Niemand erhielt Gage. Die Arbeit verlangte allen Beteiligten äußerste Disziplin ab, es gab keine Einarbeitungszeit - aber viel Begeisterung für die Sache. Ohne Begeisterung hätte das Team niemals diesen Erfolg erzielt: "Spielzeugland" erhielt mehrere Filmpreise, u.a. wurde der Film 2009 mit dem Oscar für den besten Kurzfilm ausgezeichnet. ARTE zeigt "Spielzeugland" am 11. November 2009 um 22.20 Uhr.
Historisch belegt: Nach der Euphorie kommt die Krise
Über das Spannungsfeld zwischen Begeisterung und Regeln sprach Prof. Dr. Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Sein Vortrag über die "Lehren und Folgen der Finanzkrise" war sehr interessant: Im historischen Rückblick auf die Wirtschaftskrise der Gründerjahre 1873, die Weltwirtschaftkrise 1928 und den Dot-Com-Crash 2002 stellte er fest, dass dem Platzen der Blase immer Wellen der Innovation vorausgegangenen waren, welche die Wirtschaftsakteure in Begeisterung versetzt hatte (1880 der Kohle- und Stahl-Boom, 1928 die Automobil- und Massenproduktion). Auf der ansteigenden Welle gebe es natürlich die Surfer, so Gerke, die auch bereit seien, die eine oder andere Regel zu brechen, um reich zu werden. Angesichts der jüngsten Krise müsse man laut Gerke die Regularien ändern, z.B. was die Rolle der Rating-Agenturen und Banken-Aufsicht anginge. Krisen ganz abschaffen könne man mit solchen Maßnahmen allerdings nicht, denn das hieße, auch die vorausgehenden Innovationen, die wirtschaftliche Aufwärtsbewegung und die damit verbundene Begeisterung abzuschaffen. Das könne ja wohl niemand wollen.
Cool, clever, smart: Obamas Wahlkampagne
Die Live-Zuschaltung von David Plouffe, dem Leiter von Barack Obamas Werbekampagne zur Präsidentschaftswahl, war ein Lehrstück für unaufgeregte, aber substanzielle Präsentation. Wesentlicher Erfolgsfaktor der Wahlkampagne sei die einheitliche Strategie gewesen, sagte Plouffe. Daraus konnte eine einheitliche, klare Botschaft entwickelt werden. Indem das Kampagnen-Team die neuen Medien des Web 2.0 einsetzte, habe es immer mehr Menschen dezentral und spontan in die Unterstützung, auch die Finanzierung, des Wahlkampfs einbeziehen können.
Der entscheidende Faktor für Obamas Wahlerfolg sei aber gewesen, dass sich die Anzahl seiner Unterstützer im Internet lawinenartig vergrößert habe und dass sich diese Menschen persönlich in Nachbarschaften, Kirchengemeinden und sozialen Netzwerken für seine Wahl eingesetzt hätten. Eine einheitliche Botschaft, motivierte Menschen als Informationsvermittler und die Nutzung ganz unterschiedlicher Kommunikationskanäle - das habe diese Wahlkampagne ausgezeichnet. Bis heute benutzen Obama und seine Mitarbeiter die Kommunikationskanäle, die sie während des Wahlkampfs erschlossen haben, und informieren ihre Anhänger über aktuelle politische Maßnahmen.
Selbstironisch: "Teile und verliere"
Prof. Dr. Gunter Dueck, Chief Technologist IBM Global Services, führte die Zuhörer zurück in die tägliche Projektpraxis - und sorgte mit seiner humorvollen Präsentation und Selbstironie für heftige Lacher. Die Crux der Projektarbeit liegt nach Duecks Ansicht schon ganz am Anfang: wenn man nämlich glaubt, Projekte ganz schnell in diverse "Actions" aufteilen zu können. "Teile und verliere" war denn auch der Titel des Vortrags.
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N. N.
04.11.2009
Uwe Sie
10.11.2009