Dem Chaos ein Schnippchen schlagen Die Strategie der "genialen Abkürzung"

Die Strategie der "genialen Abkürzung"

Unser Lebenstempo nimmt stetig zu, das zeigt sich im Berufsleben z.B. durch wachsende Aufgabenfülle, zunehmende Zahl an Schnittstellen, immer komplexere Aufgabenstellungen etc. Doch wie geht man mit den immer unerfüllbareren Anforderungen um, die diese Beschleunigung mit sich bringt? Norbert Lange zeigt einen Weg, auf dem Sie durch Entschleunigung zu souveränem Handeln (zurück-)finden können: Mit der Strategie der "genialen Abkürzung"!

Management Summary

Dem Chaos ein Schnippchen schlagen Die Strategie der "genialen Abkürzung"

Die Strategie der "genialen Abkürzung"

Unser Lebenstempo nimmt stetig zu, das zeigt sich im Berufsleben z.B. durch wachsende Aufgabenfülle, zunehmende Zahl an Schnittstellen, immer komplexere Aufgabenstellungen etc. Doch wie geht man mit den immer unerfüllbareren Anforderungen um, die diese Beschleunigung mit sich bringt? Norbert Lange zeigt einen Weg, auf dem Sie durch Entschleunigung zu souveränem Handeln (zurück-)finden können: Mit der Strategie der "genialen Abkürzung"!

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Vielleicht kennen Sie den Spruch: "Aus dem Chaos sprach eine Stimme zu mir: 'Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen.' Und ich lächelte und ich war froh und es kam schlimmer". Er bringt auf den Punkt, was viele im Arbeitsalltag erleben: Lessons learned geraten sofort wieder in Vergessenheit, Projektauftragsklärungen bleiben unvollständig, Absprachen werden nicht eingehalten, Meetings sind vergeudete Zeit, Projektbeteiligte, die Sie bisher als verlässlich kannten, verhalten sich plötzlich völlig anders, Lenkungsausschüsse haben keine Ahnung, worum es eigentlich geht, Schnittstellen vermehren sich, Ressourcen werden knapper, Unvorhergesehenes passiert täglich.

Sollten Sie den Anspruch haben, sich diesem Chaos zu stellen und Ihr Projekt hindurch zu steuern, gibt es zwei Wege: Sie tun das entweder "mit dem Kopf" mit Hilfe einer immer ausgefeilteren Methodik, Dokumentation und Kommunikation. Oder Sie tun das "mit dem Herz" mit Hilfe einer immer stärkeren Identifikation mit Ihrer Aufgabe, im Stile von "Das Projekt bin ich" (oder einer Mischung aus beidem). Beide Wege werden irgendwann versagen, weil sowohl das Chaos eines Tages unbeherrschbar werden wird, als auch Sie selber eines Tages an das Ende Ihrer Kräfte kommen werden.

In diesem Beitrag stelle ich Ihnen einen dritten Weg vor, wie Sie durch Entschleunigung und Intuition zu "genialen Abkürzungen" und damit zu souveränem Handeln bzw. Nicht-Handeln (zurück-)finden können! Außerdem erhalten Sie Antworten auf die Fragen, woher all das kommt und wieso es immer schlimmer statt besser werden wird.

Die Unaufhaltsamkeit der sozialen Beschleunigung

In seiner Habilitationsschrift "Beschleunigung – Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne" aus dem Jahr 2005 erläutert der deutsche Soziologe und Politikwissenschaftler Prof. Hartmut Rosa, wie sozialer Wandel das Lebenstempo erhöht. Ein erhöhtes Lebenstempo forciert wiederum den technischen Fortschritt, was erneut zu einem sozialen Wandel führt, der das Lebenstempo weiter erhöht usw. Am Beispiel des sozialen Wandels im 19. Jahrhundert lässt sich dieser Zyklus gut verdeutlichen (siehe Kasten).

Das "Lebenstempo" ist bei Rosa bestimmt durch die Zahl der einzelnen "Handlungs-Episoden", die man pro Zeiteinheit durchführt. Nachfolgend verwende ich eine erweiterte Definition, die nicht nur die reinen Handlungen berücksichtigt, wie bei Rosa, sondern zusätzlich auch alle Zusammenhänge, die in meinem Denken und Fühlen auch dann präsent sind, wenn aktuell keine Handlung geschieht. Ich nenne das "Handlungszusammenhänge". Im Projektmanagement ist z.B. jede Schnittstelle, jedes Gremium, jeder Prozess, jedes Teil- und Unterprojekt etc. ein solcher eigenständiger Handlungszusammenhang. Steigt also z.B. die Anzahl der Schnittstellen, die ein Projektleiter gleichzeitig berücksichtigen muss, erhöht sich sein Lebenstempo.

Beispiel: Wie sozialer Wandel das Lebenstempo erhöht

Betrachtet man als Teilaspekt des sozialen Wandels im 19. Jahrhundert das Ideal "Bildung für alle", dann erhöhen dieses und die damit verbundene flächendeckende Schulpflicht das Lebenstempo für alle um die Handlungs-Episoden "Schule" und "Schulwege". Das wiederum forciert den technischen Fortschritt, da u.a. neue Eisenbahnstrecken gebaut werden, um auch den Kindern aus den Dörfern den Besuch der Gymnasien in der Stadt zu ermöglichen.

Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes kommt es zu einem sozialen Wandel, nicht nur durch die Vielzahl neuer Berufe und Geschäftsmöglichkeiten, sondern auch durch völlig neue Besuchserwartungen, die das Lebenstempo selbst derjenigen erhöhen, die diese Besuche nicht machen wollen: Sie müssen ihren Freunden, Verwandten und Bekannten irgendwie kundtun, dass sie nicht kommen werden. Dadurch wird es sinnvoll, in Gestalt des Telefons den technischen Fortschritt ins eigene Leben zu integrieren – was diesen weiter vorantreibt …

Soziale Beschleunigung und Projektmanagement

Wie sieht der Zyklus der sozialen Beschleunigung ("Beschleunigungszyklus") für das Projektmanagement aus? Wie viele andere Techniken auch, ist Projektmanagement eine Reaktion auf ansteigendes Lebenstempo – und zwar das von Organisationen, die immer mehr und immer anspruchsvollere, einmalige Handlungszusammenhänge zu bewältigen haben. Als Folge der Einführung von Projektmanagement kommt es zu sozialem Wandel: dem neuen Neben- und Ineinander von Linien- und Projektorganisation.

Der soziale Wandel wiederum erhöht das Lebenstempo der Beschäftigten, weil sie immer beide Organisationsformen mit zu behandeln haben. Das führt wiederum erneut zu technischem Fortschritt – sei es in Form von Matrixorganisation, Multiprojektmanagement oder komplett projektorientierten Unternehmen. Was zu sozialem Wandel in Gestalt der immer unübersichtlicher werdenden Menge von Organisations- und Projektformen führt usw. …

Alle Kommentare (8)

Christoph
Horand

Lieber Herr Lange, vielen Dank für diesen eindrucksvollen und völlige anderen Ansatz, mit der Fülle an täglichen ToDos umzugehen. Das Thema hatte ich so schon länger im Hinterkopf, dieser Artikel hat mich aber wieder ermutigt, den Zugang zu meiner persönlichen Intuition in der täglichen Viertelstunde zu finden. Ich denke, dieser Weg ist ein sehr guter und zukunftsorientierter Lösungsansatz. Viele Grüße

 

Lieber Christoph H., alles Gute für Ihren Weg zur Intuition. Lassen Sie es mich gerne wissen, wenn sich eine geniale Abkürzung eingestellt hat, bzw. wenn Sie der Mut wieder verlässt. Beste Grüße

 

Wolfgang
Merten
Dipl.-Ing.

Hallo Herr Lange, im Bestreben nicht in einen Bournout zu gelangen, hatte ich als Gegenstrategie ähnliche Ansätze erdacht, nur nicht wissenschaftlich untersetzt. ES war eher der Bauch, der meldete: schütze Dich! Ich kann bestätigen, dass der Ansatz funktioniert und sich immer wieder geniale Abkürzungen finden. Allerdings findet meine Umwelt - die sich der Projekt- und Lebensraserei bedingungslos unterwirft - mein Verhalten “nicht schön“. FRAGE: Wie kann man diese Denkweise als Methode im Team etablieren? Wie schafft man einen diesbezüglichen Kulturwandel? Über eine Fortsetzung des Dialogs bzw. einer Diskussion im Forum würde ich mich freuen. Wolfgang Merten

 

Hallo Herr Merten, der 1. Schritt ist der VERZICHT auf einen solchen Kulturwandel bzw. eine Etablierung dieser Denkweise als Methode im Team. Dahinter werden Sie dann Ihr Team und seine Kultur ganz neu wahrnehmen können ... Was meinen Sie dazu? Beste Grüße Norbert Lange

 

Thomas
Mc Kie

Vielen Dank für den Artikel.
Tatsächlich bin ich so ziemlich genau der Typ
"Die folgenden Übungen eignen sich nicht für Menschen, die meinen, alles auf rationaler Ebene lösen zu können.". Ich hab trotzdem weitergelesen (beim Selbsttest in Summe einstellig geblieben) und bin tatsächlich erstmal mehr verwirrt worden. Beim nochmaligen Lesen dämmert mir, dass es v.a. eher darum geht, Dinge auch mal akzeptieren bzw. aushalten zu können, als eine Lösung hierfür und dafür zu suchen/finden. Aber ob ich das wirklich annehmen/ausprobieren kann und will, da hab ich große Zweifel (aktuell sträubt sich mein Bauch bei dem Gedanken). :-)

Lieber Herr McKie,

vielen Dank für Ihren Kommentar.
Sie sind auf der richtigen Spur! Es gilt, "Dinge" solange auszuhalten, bis sich "Wegweisendes" zeigt.
Dann nämlich lässt sich dieser "Weg" mit sehr hoher Energie und Geschwindigkeit "beschreiten"; es ist dann schon eher ein "fliegen".

Ihre Bewertung meines Textes mit 3 Punkten zeigt sehr gut, dass sich ihr Bauch + Kopf noch nicht entschieden haben, ob es für sie sinnvoll war, weiter zu lesen oder nicht. Doch einen öffentlichen Kommentar abzugeben, zeigt eindeutig, dass Ihr Unterbewusstsein sehr interessiert ist und den mit dem Artikel-Lesen begonnenen Weg fortsetzen möchte.

Herzliche Grüße
Norbert Lange