Wenn Intuition zur Falle wird Critical Thinking im Projektmanagement
Wenn Intuition zur Falle wird Critical Thinking im Projektmanagement
Im ersten Teil dieses Artikels habe ich die Ursachen und Gefahren kognitiver Verzerrungen für das Managen von Projekten erläutert und die Denkweise des "Critical Thinkings" als Lösungsansatz zur Vermeidung dieser Effekte vorgestellt. Im zweiten Teil möchte ich zum einen anhand von typischen Beispielen aus dem Projektalltag verdeutlichen, dass kognitive Verzerrungen nicht nur für Fehlentscheidungen mit dramatischen Folgen verantwortlich sind, sondern den Projektablauf auch in kleinen Dingen erheblich erschweren. Zum anderen zeige ich Ihnen konkrete Ansatzpunkte auf, wie Sie mit Hilfe von Critical Thinking solche kognitiven Verzerrungen bereits bei ihrem Entstehen vermeiden können. Vor allem aber möchte ich Sie dazu anregen, selbst aktiv nach weiteren Denkfallen zu suchen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu entwickeln.
Wichtige Denkfallen im Projektmanagement
Im ersten Teil dieses Artikels haben Sie bereits eine Reihe von Denkfallen kennengelernt. Davon sind die Verankerungsfalle und die Bestätigungsfalle (siehe Teil 1) für das Projektmanagement besonders wichtig. Neben diesen beiden Denkfallen herrschen zwei weitere kognitive Verzerrungen bei der Projektarbeit vor, die es stets zu beachten und durch entsprechende Vorkehrungen zu vermeiden gilt: die Rahmenfalle und die Status-quo-Falle.
Die Rahmenfalle
Der erste Schritt bei einer Entscheidung besteht darin, dass die Frage in einen Rahmen gestellt wird ("Framing"). Dieser Rahmen besteht aus dem gesamten Kontext, in dem die Entscheidung stattfindet. Zum Rahmen zählt z.B. die Position einer Angelegenheit auf der Agenda und welche Punkte zuvor behandelt wurden. Aber auch welche Person den Punkt zur Diskussion stellt oder scheinbare Nebensächlichkeiten wie z.B. das Wetter bestimmen den Rahmen. Die Art und Weise, wie Sie ein Problem in einen Rahmen setzen, beeinflusst erwiesenermaßen die Optionen, die sich bei der Lösungsfindung für Sie herauskristallisieren: Dasselbe Anliegen kann meistens in verschiedene Richtungen interpretiert werden, je nachdem, aus welchem Blickwinkel es betrachtet wird.
Bei der Entstehung eines Rahmens in Projektfragen spielt z.B. unser Risikoverhalten eine große Rolle. Wenn wir uns über die möglichen Folgen unserer Entscheidung unsicher sind, neigen wir dazu, die Entscheidungs-Szenarien nach Gewinn und Verlust zu gewichten. Wenn wir z.B. zwischen einem sicheren, kleinen Gewinn und einem großen, aber unsicheren Gewinn wählen sollen, tendieren wir dazu, das Risiko abzulehnen und uns für den zwar kleinen aber sicheren Gewinn zu entscheiden. Umgekehrt sind wir eher bereit, die Variante mit dem größeren Risiko einzugehen, wenn wir zwischen einem sicheren, kleinen Verlust und einem nur wahrscheinlichen, aber großen Verlust zu wählen haben. Dieses Risikoverhalten kann den Rahmen, in den ein Problem gestellt wird, wesentlich beeinflussen und einen rationalen Entscheidungsprozess unmöglich machen.
Eine spezielle Form von Rahmenverzerrung ist das "narrow framing". Hier betrachten die Entscheidungsträger jede Entscheidung isoliert für sich, ohne Abhängigkeiten mit anderen zu treffenden Entscheidungen zu berücksichtigen. Sie pressen dadurch die Fragestellung in einen Rahmen, der nur Informationen zulässt, die diesen Rahmen bestätigen (Dunegan, 1998).
Die Rahmenfalle kann viele Formen annehmen, da sie oft eng mit unterschiedlichen kognitiven Verzerrungen verbunden ist. Ein Rahmen kann einen Status quo schaffen (s.u.) oder einen Anker setzen (siehe Teil 1), er kann die Gefahr der versenkten Kosten heraufbeschwören (siehe Teil 1) oder uns zu Bestätigungsheuristiken (siehe Teil 1) verleiten.
Beispiele:
- Wenn ein Projektleiter einen Risikoworkshop zu Beginn des Projekts als "reine Formsache" deklariert, werden die Teilnehmer die identifizierten Risiken nicht sonderlich ernst nehmen, selbst wenn sie ernsthafte Bedrohungen darstellen.
- Aufgrund eines Gewinneinbruchs verordnet die Geschäftsführung dem Unternehmen ein Kosteneinsparungsprogramm. Durch diesen gesetzten Rahmen konzentrieren sich alle Beteiligten auf Projekte zur Kostensenkung. Andere Optionen wie verbessertes Marketing oder Verbesserungen am Produkt geraten dadurch aus dem Fokus.
Status-quo-Falle
Wir wehren uns intuitiv gegen Veränderungen und möchten am Status quo festhalten. Die Quelle dieser Falle ist tief in unserer Psyche begraben, um uns vor Schaden zu bewahren: Wer mit dem Status quo bricht, muss dafür Verantwortung übernehmen. Er exponiert sich dadurch und setzt sich dem Risiko von Kritik aus. Beim Status quo zu bleiben erscheint daher als der sicherere Weg. Dies gilt insbesondere in einer Kultur, die dazu neigt, die Folgen von Handlungen schwerer zu gewichten als die von Unterlassungen. Die Status-quo-Falle ist für jedes Projekt eines der größten Hindernisse, da Projekte definitionsgemäß auf Veränderungen zielen.
Beispiele:
- Nokia erkannte den Trend zur Touch-Screen-Bedienung beim Mobiltelefon nicht, sondern blieb beim Status quo der Tastenbedienung und verlor damit seine Marktführerschaft.
- Das größte Risiko bei der Einführung einer neuen Geschäftssoftware besteht in der Ablehnung durch ihre Anwender. Eine unternehmensweite Projektmanagement-Software kann z.B. nur dann ihren Nutzen entfalten, wenn alle Beteiligten die Projektdaten aktuell halten und statt ihrer persönlichen Tabellenkalkulationen (Status quo) das gemeinsame Werkzeug verwenden.
Die wichtigsten Denkfallen im Projektalltag vermeiden
Die folgenden Anregungen, um Denkfallen zu vermeiden, sind teilweise sehr einfach, aber dennoch wirkungsvoll. Critical Thinking bedeutet nicht, aufwendige oder komplexe Methoden einzusetzen, sondern möglichst geschickt das Zusammenspiel von System 1 und System 2 (siehe Teil 1) zu nutzen.
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Michael Richter
25.03.2015