Schön gerechnet oder schlecht geschätzt - wie viel Unsicherheit verträgt Ihr Projekt?
In einem Seminar über Projektmanagement fragte ich die Teilnehmer, wie sie ihren eigenen Aufwand abschätzen. Und wie sie mit den Angaben ihrer Teammitglieder umgehen. Eine Antwort hat mich überrascht:
"Wenn ein erfahrener Mitarbeiter seinen Aufwand schätzt, multipliziere ich das Ergebnis mit Faktor drei. Bei Neulingen nehme ich Faktor 10."
Schön gerechnet oder schlecht geschätzt - wie viel Unsicherheit verträgt Ihr Projekt?
In einem Seminar über Projektmanagement fragte ich die Teilnehmer, wie sie ihren eigenen Aufwand abschätzen. Und wie sie mit den Angaben ihrer Teammitglieder umgehen. Eine Antwort hat mich überrascht:
"Wenn ein erfahrener Mitarbeiter seinen Aufwand schätzt, multipliziere ich das Ergebnis mit Faktor drei. Bei Neulingen nehme ich Faktor 10."
In einem Seminar über Projektmanagement fragte ich die Teilnehmer, wie sie ihren eigenen Aufwand abschätzen. Und wie sie mit den Angaben ihrer Teammitglieder umgehen. Eine Antwort hat mich überrascht:
Die Aufgabe
Im Rahmen der Projektplanung befassen Sie sich intensiv mit dem Aufwand für einzelne Aufgaben oder auch ganzer Teilprojekte. Nur so lässt sich ein brauchbarer Projektplan erzeugen und eine darauf aufbauende Kostenplanung ermitteln. Dabei stehen jedoch oft noch Unsicherheiten im Raum – wie etwa eine noch zu grobe – Spezifikation, während der Kunde bereits eine erste Aussage über Projektkosten und Lieferzeitpunkt erwartet. Während der eigene Vorgesetzte eine möglichst niedrige Schätzung erwartet – wie auch der Kunde – brauchen Sie als Projektleiter einen realistischen Wert, der tatsächlich zu halten ist und Ihrem Team nichts Unmögliches abverlangt.
Das Dilemma
Je früher der Zeitpunkt im Projekt, desto schwieriger ist es, den Aufwand genau zu bestimmen! Oft ist es nicht möglich, länger zu warten oder mehr Informationen zu beschaffen. Dazu kommt die Tatsache, dass ein nur Hinzunehmen von Informationen nicht automatisch die Schätzung verbessert. Eine zu frühe bzw. grobe Schätzung trägt das Risiko hoher Fehlerwahrscheinlichkeit in sich.
Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma ist, den Aufwand "schönzurechnen", also dem Kunden mit den Angaben entgegenzukommen, die er erwartet, nach dem Motto "Wir schaffen es in der gewünschten Zeit". Mit fatalen Folgen, wie aktuelle Beispiele zeigen. Sich nur auf Kosten zu konzentrieren und einen Gesamtwert "aus der Erfahrung heraus" zu schätzen, ist eine alternative Lösung, die erfahrungsgemäß auch nicht weniger riskant ist. Was also tun?
Unsicherheiten identifizieren und kommunizieren
So lange nicht klar ist, welche Unsicherheiten überhaupt im Konzept enthalten sind, steht jede Schätzung auf zu wackeligen Beinen. Deshalb sollten Sie zuallererst prüfen, welche Unsicherheiten im aktuellen Kenntnisstand enthalten sind. Dokumentieren Sie diese Grauzonen, und legen Sie Annahmen fest, die Sie für eine mögliche Schätzung treffen müssen.
Kommunizieren Sie diese Fakten an diejenigen Projektbeteiligten, die zur Klärung beitragen können und machen Sie ihnen klar, dass eine Schätzung ansonsten nur unter den von Ihnen festgelegten Annahmen möglich ist. So sollten Unsicherheiten geklärt werden – oder zumindest Ihre Annahmen bestätigt werden. Offenheit ist hier sehr von Vorteil – abhängig vom Vertrauensverhältnis zu Ihrem Kunden.
Minimum: Betrachtung Best Case – Worst Case
Mit Szenarien für den Best Case und den Worst Case stecken Sie zumindest einen Rahmen für den Aufwand ab, den sie im Augenblick noch nicht genauer abschätzen können. Die dabei getroffenen Annahmen und Voraussetzungen stellen wichtige Zusatzinformationen dar, die als Stellschrauben für weitere Schätzungen dienen.
Die Aussagen zu den Szenarien sollten möglichst konkret sein wie etwa: "Die gewünschte Eigenschaft wird bei der ersten Versuchsreihe nachgewiesen" (Best Case) oder "... kann erst nach drei bis vier Versuchsreihen erreicht werden" (Worst Case). Derartige Szenarien lassen sich dann Schritt für Schritt weiter konkretisieren, um genauere Werte nennen zu können – und die Auswirkungen auf den weiteren Projektverlauf und die Kosten sind greifbar.
Methoden verwenden
Aus den Szenarien liefern Sie sich bereits die Ansatzpunkte für die sehr einfache Zweipunktmethode: Geschätzter Aufwand = (Best Case + Worst Case) / 2
Haben Sie die Möglichkeit, Erfahrungen in die Betrachtung einfließen zu lassen, können Sie die Schätzung noch verbessern: Vergleichen Sie den tatsächlichen Aufwand in ähnlichen Projekten, tauschen Sie sich mit anderen Projektleitern aus, ziehen Sie "Experten" hinzu, die zur Qualität der Schätzung beitragen können. So ermitteln Sie für die Aufgabe den Aufwand, den Sie realistisch als "am wahrscheinlichsten" ansetzen können ("Most likely case") und nutzen die Dreipunktmethode:
Geschätzter Aufwand = (Best Case + Most likely Case (x 4) + Worst Case) / 6
Reden Sie darüber
Auch, wenn eine Schätzung nur auf diesem Minimalvorschlag beruht – besser als "Pi mal Daumen" ist sie allemal. Wichtig ist, dass allen Beteiligten klar ist, es ist eine Schätzung! Verkaufen Sie das Ergebnis nicht als Berechnung, die auf festen Beinen steht – sie werden später darauf festgenagelt werden. Für besser halte ich stattdessen eine offene Kommunikation der Unsicherheiten; damit eröffnen Sie sich die Chance, die Projektbeteiligten in eine mögliche Verbesserung der Schätzung mit einzubeziehen.
Klaus Schopka
04.08.2014