Projektaufstellung – verborgene Erwartungen und Bedürfnisse offenlegen
Manche Konflikte und Spannungen in Projekten haben ihre Ursache auf der Gefühls- und Beziehungsebene. Den Wunsch nach Wertschätzung oder nach einer stärkeren Einbindung in Projektabläufe äußern Teammitglieder meist nicht offen. Stattdessen wird der Konflikt auf der Sachebene ausgetragen: Der Mitarbeiter übt Kritik oder kommuniziert außerhalb der vorgeschriebenen Hierarchien. Der Projektleiter wird mit scheinbar sachlichen Schwierigkeiten konfrontiert, die er aber mit Argumenten und Maßnahmen nicht lösen kann. Sind die Ursachen für Probleme diffus und undurchsichtig, kann die Projektaufstellung helfen. Olivier Sutz beschreibt anhand eines konkreten Beispiels, wie man mit der Projektaufstellung die Gründe für solche Spannungen offenlegen und ausräumen kann.
Projektaufstellung – verborgene Erwartungen und Bedürfnisse offenlegen
Manche Konflikte und Spannungen in Projekten haben ihre Ursache auf der Gefühls- und Beziehungsebene. Den Wunsch nach Wertschätzung oder nach einer stärkeren Einbindung in Projektabläufe äußern Teammitglieder meist nicht offen. Stattdessen wird der Konflikt auf der Sachebene ausgetragen: Der Mitarbeiter übt Kritik oder kommuniziert außerhalb der vorgeschriebenen Hierarchien. Der Projektleiter wird mit scheinbar sachlichen Schwierigkeiten konfrontiert, die er aber mit Argumenten und Maßnahmen nicht lösen kann. Sind die Ursachen für Probleme diffus und undurchsichtig, kann die Projektaufstellung helfen. Olivier Sutz beschreibt anhand eines konkreten Beispiels, wie man mit der Projektaufstellung die Gründe für solche Spannungen offenlegen und ausräumen kann.
Werden die menschlichen Bedürfnisse und Erwartungen in einem Projekt vernachlässigt oder nicht erkannt, kommt es zu Spannungen oder sogar Konflikten. Diese haben ihre Ursache auf der Gefühls- und Beziehungsebene, z.B. weil sich ein Stakeholder (Auftraggeber, Lieferanten, Mitarbeiter, usw.) ausgegrenzt, übergangen oder nicht wertgeschätzt fühlt. Offen geäußert werden solche Empfindungen meist nicht, stattdessen werden die Spannungen auf der Sachebene ausgetragen. Der Projektleiter, der das eigentliche Problem nicht kennt, wird somit lediglich mit sachlichen Schwierigkeiten konfrontiert, die er aber mit sachlichen Argumenten und Maßnahmen nicht lösen kann. Womöglich beschleicht ihn nach mehreren erfolglosen Lösungsversuchen das vage Gefühl, dass irgendetwas anderes im Projekt nicht stimmt.
Es ist wichtig, solche Spannungen und Konflikte zu lösen, denn ihre Folgen sind Störungen verschiedenster Art bis hin zu Projektabbrüchen. Die Ursache dieser Probleme ist allerdings nur schwer zu ermitteln. Eine Methode, um die Ursachen zu finden, ist die so genannte Projektaufstellung. Mit der Projektaufstellung nähert man sich dem Problem nicht auf der Sach-, sondern auf der Gefühls- und Beziehungsebene. Im Folgenden erkläre ich anhand eines Beispiels, wie man mittels der Projektaufstellung die Ursachen für Probleme im Projekt finden kann. Vorab beschreibe ich kurz die theoretischen und psychologischen Grundlagen, die für die Einschätzung von Bedeutung und Nutzen der Projektaufstellung hilfreich sind.
Vernachlässigt: Der Faktor Mensch
Projektabbrüche sind zu über 50% auf den Faktor Mensch zurückzuführen, wie beispielsweise die Studie "Erfolg und Scheitern im Projektmanagement" der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement zeigt. Dennoch liegt der Schwerpunkt von Projektmanagement-Ausbildungen noch immer auf den traditionellen Kenntnissen wie dem Planen, Steuern und Überwachen. Die Schulung sozialer Kompetenzen wie z.B. Führung nimmt oft weniger als 20% der Ausbildung ein.
Da die Komplexität der Technologien und der Leistungsdruck immer weiter zunehmen, werden die sozialen Aspekte in den Projekten immer weiter in den Hintergrund geschoben. Die Projektabwicklung wird immer weiter gestrafft und standardisiert, so dass menschliche Bedürfnisse wie Wertschätzung und Anerkennung sowie individuelle Erwartungen wie z.B. die Einbeziehung in Entscheidungsprozesse immer weniger Raum einnehmen. Die Konsequenz ist Demotivation, und daraus wiederum folgen Terminverzögerungen, größere "Feuerwehreinsätze" oder Projektabbrüche.
Das Eisbergmodell
Das Eisbergmodell, angelehnt an die allgemeine Theorie der Persönlichkeit von Sigmund Freud, geht davon aus, dass lediglich 20% des menschlichen Handelns in täglichen Situationen bewusst gesteuert wird. Dieser Teil ist die Sachebene und wird im Modell durch die Spitze des Eisbergs dargestellt, die sich über der Wasseroberfläche befindet und somit für alle sichtbar ist. Tätigkeiten, die auf der Sachebene stattfinden, sind z.B. die Durchführung von Projektmeetings, die Festlegung von Projektzielen oder das Erstellen der Projektpläne.
Die restlichen 80% der Handlungen sind weniger oder gar nicht offensichtlich und finden auf der Gefühls- und Beziehungsebene statt, d.h. unter der "Wasseroberfläche". Zu diesem Bereich zählt z.B. die Entscheidung, jemanden eine E-Mail zu schreiben, anstatt ihn anzurufen, weil es angenehmer ist, mit der betreffenden Person nicht persönlich sprechen zu müssen. Auf der Gefühls- und Beziehungsebene liegen u.a. auch menschliche Bedürfnisse wie Lob und Anerkennung, (vielfach unausgesprochene) Erwartungen sowie die Ursachen für Demotivation und Widerstände.
Viele Probleme, die sich augenscheinlich an sachlichen Fragen entzünden, haben ihre Ursache in Wirklichkeit auf der Beziehungsebene. Zwischenmenschliche Konflikte beispielsweise werden oft nicht direkt thematisiert, sondern zeigen sich auf der Sachebene: Dann werden Termine nicht eingehalten, der Zugang zu Materialien wird verwehrt oder man findet gegen jeden Vorschlag irgendwelche Einwände. Das eigentliche Problem aber bleibt unangetastet.
Ein erfolgreicher Projektleiter schenkt der Gefühls- und Beziehungsebene mindestens so viel Beachtung wie der Sachebene. Er verwendet einen großen Teil seiner Energie bewusst für die emotionale Ebene. Wichtig ist dabei, zwischenmenschliche Probleme nicht auf der Sachebene, sondern auf der Gefühls- und Beziehungsebene anzusprechen, denn auf der Sachebene sind diese gar nicht lösbar. (Siehe hierzu Scheer, Projekt Magazin, Ausgabe 18/2005).
Wie aber können die Problemursachen, die unter der Wasseroberfläche liegen, sichtbar gemacht werden? Wie kann man eine Lösung für diese Probleme finden? Dabei hilft die Projektaufstellung.
Bernd Joussen
03.07.2013